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Pastor Dietrich Bonhoeffer als Actionheld mit der Knarre in der Hand. Mit diesem Plakat wird ein kruder neuer Film beworben. Mit dem Film wird der NS-Widerstandkämpfer einmal mehr von fundamentalistischen US-Christen vereinnahmt. Wenn Dietrich Bonhoeffer heute leben würde, hätte er Trump gewählt, würde kämpfen gegen Wokeness und Zeitgeist. Das glauben viele radikale Christen tatsächlich in den USA und diese Geschichtsklitterung geschieht schon seit Jahren. Bonhoeffers Familie hat jetzt beschlossen, sich zu wehren - und wird dafür beschimpft.
Mit diesem Bonhoeffer stimmt was nicht. Ein frömmelnder Kämpfer für das Gute in einem Film voller historischer Fehler, vorgetragen von renommierten deutschen Schauspielern auf Englisch. Der Film wendet sich vor allem an ein amerikanisches Publikum. Und: dieser Bonhoeffer spricht wie Donald Trump vom Feind im Inneren.
“My Country was invaded from within.”
Tobias Korenke, Bonhoeffer‑Nachfahre
"Wir mussten jetzt was tun. Schon seit einigen Jahren versuchen Rechte Evangelikale, Bonhoeffer für sich und ihre Ziele zu vereinnahmen, die tatsächlich versuchen Bonhoeffer umzudeuten, als einen Widerstandskämpfer gegen Wokenes, Abtreibung und Zeitgeist."
Tobias Korenke ist ein Großneffe Bonhoeffers. Gegen die Vereinnahmung durch rechte Christen, auch gegen den Film haben sich die Nachfahren jüngst gewehrt. In einem offenen Brief kritisieren sie besonders die Vermarktung, die Bonhoeffer als gewaltbereiten Rächer zeigt.
Das berliner Haus der Eltern Bonhoeffers, in dem er ein Studierzimmer hatte, ist heute eine Begegnungsstätte. Sie erinnert an den evangelischen Pastor und Denker, der seinen Widerstand gegen das NS-Regime mit dem Leben bezahlte.
Tobias Korenke, Bonhoeffer‑Nachfahre
"Das hat unsere Familie sehr geprägt. Und aus diesem Geist heraus haben wir schon das Gefühl, dass wir etwas sagen müssen. Wir halten diese Umdeutung von Bonhoffer wirklich für unfassbar zynisch, Bonhoeffer stand genau für das Gegenteil, für Freiheit, Liberalität und auf jeden Fall gegen Ausgrenzungen."
Die Kritik kam in den USA nicht gut an, die "woken Verwandten" werden gar beschimpft. Eine zentrale Figur im Kulturkampf um Bonhoeffer ist Eric Metaxas. In seiner Talkshow promotet er Trump und die Bibel, seine Bonhoeffer-Biographie ist ein Bestseller.
Eric Metaxas, Religionswissenschaftler
"My Name is Eric Metaxas. And this channel exists to bring you a biblical perspective on todays news."
Stephen Haynes, Religionswissenschaftler
"Metaxas gilt als ausgewiesener Experte für Bonhoeffer und die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Als er sich massiv für Trump einsetzte, gab er den Christen quasi die Erlaubnis, für jemanden zu stimmen, der für viele aus dem Bauch heraus alles andere als für Christen akzeptabel war."
Stephen Haynes hat den Kampf um Bonhoeffer erforscht. Jetzt kritisieren er und andere Experten in einer Petition die Vermarktung des Films, die verkappten Aufrufe zur Gewalt.
"I’m ready."
Und den Missbrauch Bonhoeffers durch christliche Nationalisten.
Stephen Haynes, Religionswissenschaftler
"Vor allem in den Jahren der Obama- und Biden-Administration wurde Bonhoeffer zunehmend als Vorbild für den religiös begründeten Widerstand gesehen. Gegen die Tyrannei, so wie Metaxas und andere diese Präsidenten beschrieben haben."
Angel Studios hat die weltweiten Rechte an dem Film, eine betont christliche Produktionsfirma, ein Gegenmodell zu Hollywood. Filme werden über Crowdfunding finanziert, die Community entscheidet mit.
Der Bonhoeffer-Film wird in christlichen Medien stark beworben. Nach der Wahl befeuern sie den Kulturkampf weiter, stellen Forderungen.
Maren Freudenberg, Religionswissenschaftlerin
"Die religiöse Rechte ist sehr gut organisiert in den Vereinigten Staaten und sie wird alles dran setzen, ihre politischen Ziele weiter durchzusetzen. Ich gehe nicht davon aus, dass das mit brutaler Gewalt passieren wird, sondern dass es politisch-strategisch passiert."
Maren Freudenberg forscht zur christlichen Rechten in den USA, ihrem streng patriarchalen Weltbild, ihrem Einfluss auf die Gesellschaft.
Rund 80 % der Evangelikalen stimmen für Trump. Je weiter rechts Christen stehen, desto stärker ihr Wunsch, die Demokratie aufzugeben, zugunsten eines Gottesstaates, in dem die Gesellschaft biblischen Prinzipien gehorcht.
Prediger
"Wir lieben dich, Jesus, und wir lieben unser Land. Danke, dass du uns diesen Mann geschickt hast, Donald J. Trump , einen Krieger für Gott und für die Weisheit, die von Gott kommt."
Maren Freudenberg, Religionswissenschaftlerin
"Teile der religiösen Rechten wünschen sich, dass die USA auf Grundlage der Bibel neu aufgebaut werden soll. Es gibt da durchaus Überschneidungen bei QAnon und der religiösen Rechten, vor allen Dingen, dass Trump als eine fast messianische Figur gesehen wird, als eine Erfüllung biblischer Prophezeiung. Gott arbeitet auf mysteriösen Wegen und hat der amerikanischen Bevölkerung Trump geschenkt."
In dieses Weltbild passt der Bonhoeffer-Film. Die Frage bleibt: wie haben sich renommierte deutsche Schauspieler dorthin verirrt? Weder Jonas Dassler noch August Diehl oder auch Moritz Bleibtreu hatten Zeit, TTT das zu erklären.
Immerhin gibt es jetzt ein Statement – auf Englisch. Darin distanzieren sich die Schauspieler vom möglichen Missbrauch Bonhoeffers durch christliche Nationalisten.
Tobias Korenke, Bonhoeffer‑Nachfahre
"Finden wir toll, dass die Schauspieler sich äußern. Ich hatte mit Jonas Dassler gesprochen. Ich hatte schon den Eindruck, die fühlen sich eben auch instrumentalisiert, weil sie zumindest mit der Vermarktung dieses Films überhaupt nicht umgehen können."
Ob der Film in deutsche Kinos kommt, ist ungewiss. Es gibt noch keinen Verleih.
Autorin: Claudia Kuhland