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Die Ausstellung "Im Dialog – Sammlung Hasso Plattner: Kunst aus der DDR" im Minsk Museum in Potsdam erzählt die spannende Epoche in der Kulturpolitik der DDR nach 1976 zwischen Entspannung und Restriktionen. Viele der wichtigsten Künstlerinnen dieser Zeit sind vertreten. Ihre Werke werden zum einen in ihren historischen Kontext gestellt, zum anderen werden einzelne Werke miteinander in Dialog gebracht. Wir treffen den Maler und ehemaligen Kunstprofessor Rolf Kerbach, der diese Zeit miterlebt hat, bevor er 1982 nach West-Berlin ausreiste.
Wie ist unser Blick auf Kunst aus der DDR? Was sehen wir, wenn wir unvoreingenommen an Bilder herantreten? Und was wissen wir über die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind? Im Potsdamer Minsk sind 50 Arbeiten von Künstler*innen zu sehen, zusammengestellt von einem Briten.
Der Kurator Daniel Milnes möchte zu einem Dialog einladen. Mit und über die Bilder.
Daniel Milnes, Kurator
"Es gibt viele Meinungen oder Vorstellungen von Kunst aus dem Osten, hauptsächlich aus einer Westperspektive, die eigentlich gar nicht stimmen können, weil die sich nie die Arbeit geleistet haben, diese Meinung zu hinterfragen. Und für mich war es dann wichtig, nicht nur in Begrifflichkeiten wie Staatskunst oder offiziell inoffiziell zu arbeiten."
Wer etwas über Kunst erfahren will, muss die Künstler*innen sprechen, das ist die Idee. So, wie 1976 der Kunsthistoriker Henry Schumann. In seinen "Ateliergesprächen" ließ er Künstler*innen selbst zu Wort kommen, statt über sie zu berichten. Das war revolutionär. Sein Buch sorgte kurzzeitig für Aufbruchstimmung in der Kunstszene der DDR.
Daniel Milnes, Kurator
"Man sieht, dass die meisten eigentlich gar keine richtigen Fans von Auftragsarbeiten waren, weil sie das zu sehr in ihrem eigenen Schaffen komprimiert hat. Und ich hab dann zum Beispiel mit Ralf Kerbach darüber gesprochen, der als Student das Buch in die Hand bekommen hat. Das wurde durch die Ateliers in der Akademie gereicht.Und es war durchaus ein Buch, das ein Interesse unter Studierenden erzeugt hat."
"Dresdner Freunde" heißt ein Bild von Ralf Kerbach, das in der Ausstellung zu sehen ist. Auch wir treffen ihn zu einem "Ateliergespräch". In alten Bildern zu blättern ist wie Tagebuch lesen, sagt er.
Ralf Kerbach, Künstler
"Ich war fünf Jahre alt, als die Mauer gebaut worden ist und habe meine ganze Jugendzeit und prägende Jahre in dieser DDR verbracht und habe eben immer gespürt, dass es unfrei war. Es war betoniert, unfrei. Man spürte immer das da oben was im Hintergrund war, dass man beobachtet wurde. Es gab kein offenes Gespräch. Es wurde alles politisiert. Ich war nicht Pionier, nicht FDJ und hatte sowieso so eine Art Außenseiterrolle in dieser ganzen Gesellschaft."
Kerbach will Künstler werden. Er macht eine Lehre als Klempner, bevor er sein Studium an der renommierten Hochschule für Bildende Künste in Dresden beginnt.
Ralf Kerbach, Künstler
"Das bin ich mit 18 Jahren mit störrischem Blick und lange, schwarze Haare und das war mein erstes Atelier. Und zwar bin ich mit Reinhard Sandner damals in den Schlachthof gegangen, letztes Mal hier und wir haben dort die Arbeiter gezeichnet."
Kerbach rebelliert gegen den staatlichen Kunstbetrieb und wird exmatrikuliert. Mit der Künstlerin Cornelia Schleime gründet er die Punk-Band "Zwitschermaschine", der sich auch der Dichter Sascha Anderson anschliesst - sein vermeintlicher "Seelenverwandter". 1982 reist Kerbach nach West Berlin aus. Hier entsteht das Bild, das im Minsk zu sehen ist, eine melancholische Erinnerung an seine "Dresdner Freunde". Von denen sich einer als Verräter herausstellt.
Ralf Kerbach, Künstler
"1991 hat ja Wolf Biermann in seiner Büchner Preis Rede den Sascha Anderson entlarvt in seiner Stasi Spitzel-Tätigkeit. Das war für uns alles ein großer Schock."
"Also wenn man dann sich an Gespräche erinnert hat und dann sieht, wie das alles diesen Genossen und Stalinisten berichtet worden ist und da danke ich eigentlich Wolf Biermann, dass er da Licht ins Dunkel gebracht hat, das ist eine schwere Wunde, aber ich bin froh, dass das passiert ist."
1976 hatten viele Künstlerinnen gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestiert. Gabi Stötzner kommt dafür in Haft. Auch daran wird im Minsk erinnert.
Daniel Milnes, Kurator
"Der erste Dialog geht um eine Konfrontation zwischen den Arbeiten von Gabriele Stötzer und den Arbeiten von Bernhard Heisig, Willi Sitte, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer. Und das waren vier Künstler, die man als staatsnah bezeichnen könnte. Insofern, dass die dann 1977 auf der Documenta in Kassel ausgestellt wurden, als erste offizielle Beiträge von der DDR auf dieser Weltbühne und zur selben Zeit war eben Gabriele Stötzer, die eine oppositionelle Figur war, im Gefängnis."
Was heisst es für Künstler*innen, sich mit einem Leben in der DDR auseinanderzusetzen. Diese Frage stellt die Ausstellung zurecht- und unterstreicht den wichtigen Unterschied zwischen DDR-Kunst und "Kunst aus der DDR".
Ralf Kerbach, Künstler
"Ich bin aus der DDR gekommen, habe aber meine wesentlichen Arbeiten alle damals in Westberlin hinter der Mauer in der Freiheit demokratischen westlichen Welt geschaffen und werde von vielen Deutungshoheiten bis heute immer wieder in diesen Sack da reingesteckt. Und das ist ja, wie geht man damit um? Am besten mit Ironie. Ich denke, das ist das Beste."
Autorin: Charlotte Pollex