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Die Musik hat ihm einst das Leben gerettet, danach hat er der Musik sein Leben gewidmet. Christoph Eschenbach war an allen großen Konzerthäusern Chefdirigent. In Zürich, Paris, Washington, Philadelphia und auch lange in Berlin im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Nun ist er künstlerischer Leiter am Neuen Forum für Musik, dem modernen Konzerthaus in Breslau geworden. Christoph Eschenbach geht sozusagen zurück zu den Wurzeln. Hier ist er vor 85 Jahren auf die Welt gekommen. Wir sind mit dem Maestro zusammen in seine Heimatstadt gefahren. Zu einem ganz besonderen Konzert.
Christoph Eschenbach, Dirigent
"Man kommuniziert mit Gestik und Mimik und mit, mit allem, was die Musik unterstreicht."
"Es muss alles darauf angelegt sein, dass das Orchester total versteht, was ich meine - alle Gruppen und dann im Tutti auch."
Christoph Eschenbach leitet seit über fünfzig Jahren die Orchester dieser Welt. Nun ist er zurück in seiner Geburtsstadt.
Wir treffen ihn in Breslau, der Stadt, die er vor 80 Jahren verlassen musste. Er probt hier als neuer künstlerischer Leiter am Nationalen Forum für Musik.
Christoph Eschenbach, Dirigent
"Es ist ein neues Orchester für mich, quasi neues Orchester für mich, ich muss auch das Orchester kennenlernen, ich muss sozusagen mein Lot in alle Gruppen senken und auch versuchen, individuell die Persönlichkeiten zu identifizieren. Es ist sehr viel Psychologie darin natürlich und es ist einfach eine schöne menschliche Sache. Es geht alles auf Menschlichkeit hinaus, die Musik hat mit Menschen zu tun und die Menschen machen die Musik."
Für Christoph Eschenbach ist es wie ein Neuanfang, denn er hat kaum Erinnerungen an das Breslau seiner Kindheit. 1940 wurde er als Sohn des Musikprofessors Heribert Ringmann und der Sängerin und Pianistin Margarethe Ringmann geboren. Seine Mutter stirbt bei der Geburt und Christoph wächst bei seiner Großmutter in einem Vorort von Breslau auf. Sein Vater wird wegen seiner politischen Ansichten strafversetzt – später an die Volksfront geschickt und fällt im Kampf.
Als er fünf Jahre alt ist, flieht Christoph Eschenbach mit seiner Großmutter nach Mecklenburg-Vorpommern.
Christoph Eschenbach, Dirigent
"Meine Großmutter hat mir das Leben wieder geschenkt, sozusagen. Meine Mutter ist gestorben bei meiner Geburt. Und mein Vater habe ich kaum gesehen, weil er durfte nicht nach Breslau, nur zu bestimmten Angelegenheiten und die Großmutter hat mich umsorgt und hat mich großgezogen und dann eben auch auf dieser furchtbaren Flucht begleitet."
Seine Großmutter stirbt auf der Flucht an Typhus. Wallydore Eschenbach, eine Cousine von Christoph Eschenbachs Mutter, findet den 5-Jährigen schwer erkrankt in einem Flüchtlingslager und nimmt ihn zu sich.
Christoph Eschenbach, Dirigent
"Bei ihr habe ich sozusagen meine zweite frühe Kindheit erlebt und das war eine sehr schöne Sache, weil ich habe da Musik kennengelernt. Sie war Pianistin, die Cousine meiner Mutter und Sängerin. Sie hat jeden Abend gespielt und ich habe da die Werke von Bach bis zu Rachmaninow inklusive Beethoven und Schubert kennengelernt und habe mit großer, ja, Hingabe eigentlich zugehört. Und das hat mich gesund gemacht."
Wallydore Eschenbach und ihr Mann Wolfram werden seine neuen Eltern. Sie unterrichten ihn am Klavier und als er mit zwölf Jahren sagt, er will Dirigent werden, kommen Geige und Bratsche dazu. Später studiert er zunächst Klavier, dann Dirigieren. Herbert von Karajan wird sein Mentor.
Christoph Eschenbach, Dirigent
"Wir können da noch ein bisschen mehr Klang zaubern im Pianissimo."
Als Dirigent macht er weltweit Karriere, gewinnt einen Grammy. Bevor er nach Breslau kommt, ist Christoph Eschenbach Chefdirigent des Konzerthausorchesters in Berlin. Der Abend des Konzerts ist gekommen. Alle sieben Jahre gab es einen Umbruch in seinem Leben, sagt Christoph Eschenbach. Pünktlich zum neuen 7-Jahres-Zyklus nun also der Schritt in seine Geburtsstadt. Für fünf Jahre bleibt er hier. Aufhören will er nicht.
Christoph Eschenbach, Dirigent
"Ich wünsche, dass die Musik bei mir bleibt und ich bei der Musik bleibe, ganz einfach gesagt. Wunschlos glücklich - Ja, weil ich die Musik habe. Ich lebe damit, ich atme damit. Ich singe zwar nicht selber, ich singe nicht mit, aber innerlich singt es in mir."
Autorin: Vera Drude