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"Davon geht die Welt nicht unter…" schmettert Zarah Leander am 12. Juni 1942 auf der Leinwand im damaligen Ufa-Palast am Zoo. Die Premiere für eine von Goebbels bestellte Durchhaltparole mitten im Krieg. Geschrieben wird sie von dem Texter Bruno Balz und dem Komponisten Michael Jary - so wie viele der erfolgreichsten Hits dieser Zeit. Ein Kino-Dokumentarfilm erzählt jetzt, wie gefährdet ihre Karrieren und sogar ihr Leben im Nazi-Regime eigentlich waren.
"Liebe kann nicht Sünde sein. Auch, wenn sie es wär, so wär's mir egal. Lieber will ich sündigen mal…"
Einer von Zarah Leanders Welterfolgen. Die Texte für die Filmdiva schrieb Bruno Balz, der im pulsierenden Berlin der frühen 30er Jahre lebt, als er den talentierten Komponisten Michael Jary trifft.
In der Doku erzählen Zeitzeugen und Musikexperten über diese Künstlerfreundschaft in schwierigen Zeiten.
Als Homosexueller muss Bruno Balz mit staatlichen Repressalien und Bedrohungen leben, während die Nazis auch Michael Jarys Karrierestart behindern, denn Neue Musik war für sie "Entartete Kunst".
Micaela Jary, Schriftstellerin
"Er hatte jüdische Lehrer und hatte dann sein Abschlusskonzert. Der Saal wurde von dem sogenannten Kampfbund für deutsche Kultur gestürmt."
Michael Jary, Komponist, 1971
"Und der sagte: Ich protestiere hier im Namen der deutschen Künstlerschaft gegen das intellektuell, bolschewistische Musikgestammel eines polnischen Juden."
Micaela Jary, Schriftstellerin
"Nur war mein Vater weder Pole noch Jude aber mit dieser Diffamierung wurde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen."
Doch seine Kreativität ist nicht zu stoppen. Zusammen mit Bruno Balz als Texter produziert er Hits in Serie.
...die Zarah Leander zum Star der NS-Zeit machen. Willkommene Ablenkung von der drohenden Katastrophe des Bombenkrieges.
Viele Künstlerkollegen verlassen das Land. Die Freunde Jary und Balz versuchen sich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Aber auch eine Scheinehe mit seiner Cousine schützt Bruno Balz nicht vor Verfolgung durch die Nazis.
1941 wird er wegen Homosexualität inhaftiert und in den Folterkellern der Gestapo mißhandelt. Ihm droht das KZ.
Doch Jary und Zarah Leander brauchen ihn für die Schlager im Durchhaltefilm "Die große Liebe".
Micaela Jary, Schriftstellerin
"Goebbels wünschte sich ein Lied für den Führer. Mein Vater musste dahin und sagte: Mein Texter ist gerade verhaftet worden."
Goebbels hat ein Einsehen und Jary holt seinen Freund aus der Haft.
Micaela Jary, Schriftstellerin
"Sie saßen dann zuhause und sagten: Jetzt müssen wir ja einen Titel einreichen."
…es wurde ein Welthit.
"Davon geht die Welt nicht unter, sieht man sie manchmal auch grau.
Einmal wird sie wieder bunter, einmal wird sie wieder himmelblau."
Götz Alsmann, Musikhistoriker
"Wenn man die filmische Inszenierung von "Davon geht die Welt nicht unter" sieht, ist vollkommen klar, dass das eine Durchhaltenummer ist."
"... geht die Welt nicht unter...."
Götz Alsmann, Musikhistoriker
"Ohne die schunkelnden Soldaten konnte man das Lied wirklich völlig anders interpretieren."
Bruno Balz, Textdichter, 1987
"Man konnte es auslegen, wie man wollte, nicht? Man kann sagen, von den Bombenhageln geht die Welt nicht unter für uns, oder von den Bösartigkeiten der Nazis."
Jary und Balz nutzen ihre Talente auch nach Kriegsende, schreiben den Soundtrack zum Wirtschaftswunder.
Michael Jary komponiert, Texter Bruno Balz findet die passenden Worte.
"Das machen nur die Beine von Dolores..."
Es ist ein berührender und erhellender Film über ein Stück deutsche Musikgeschichte und die beiden Männer, die sie geschrieben haben.
Micaela Jary, Schriftstellerin
"Diese tiefe Freundschaft eines sehr extrovertierten Menschen, wie meines Vaters, zu diesem introvertierten Menschen, das war tatsächlich eine Symbiose."
Eine Symbiose, die wahrscheinlich sein Leben gerettet hat.