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"Die Saat des heiligen Feigenbaums" ist Deutschlands Hoffnung im Oscar-Rennen. Ein großer Meilenstein für die Schauspielerin Setareh Maleki, die sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt. Doch der Film hat ihr Leben nicht nur beruflich verändert: Aufgrund ihrer Rolle musste sie aus dem Iran fliehen. In Berlin beginnt sie ein neues Kapitel.
Es geht um Mut, Widerstand, Freiheit. Der heimlich im Iran gedrehte Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" ist der deutscher Oscar-Kandidat.
Ein Riesenerfolg - der allerdings auch seinen Preis hat. Der Regisseur Mohammad Rasoulof ist aus dem Iran geflohen, und auch die Schauspielerin Setareh Maleki lebt mittlerweile in Berlin.
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Soll ich Euch ein Geheimnis verraten? Ja, ich kann dabei sein."
Ja, sie kann zu den Oscars. Setareh Maleki hat rechtzeitig alle Unterlagen für die Einreise in die USA beisammen – und ihr Instagram-Account zeigt: Sie ist schon in L.A.! Wir haben sie kurz vorher noch im kalten Berlin getroffen.
Ein Leben in Freiheit, unterwegs auf den roten Teppichen dieser Welt – doch ihr Opfer dafür war groß: Sie musste ihre Heimat Iran verlassen, aus Angst vor dem Regime.
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Ich hatte keine Gelegenheit, mich zu verabschieden, denn ich musste schnell weg. Ich konnte niemandem erzählen, wo ich hingehe, das wäre zu gefährlich gewesen. Also bin ich einfach verschwunden."
Der Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" eckt im Iran an.
Er zeigt den Mikrokosmos einer vierköpfigen Familie in Teheran, deren Vater Ermittlungsrichter wird, während die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung im Land wächst.
"Die Aktenlage umfasst fünf Bände. Wann soll ich die denn lesen? Ich kenne nicht mal eine Seite davon."
- "Lesen, nicht lesen – schreib die Anklageschrift und gut ist! Ist eine Anordnung der Staatsanwaltschaft."
Die repressiven Machtstrukturen des Regimes halten Einzug in den Alltag der Familie, auch in Form einer Waffe.
Als diese verschwindet, greifen Misstrauen und Verdächtigungen in der Familie um sich. In ihrer Rolle Sana erkennt Setareh Maleki auch einiges von sich selbst wieder.
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Sie kommt ins Handeln. Genau wie ich es oft im Leben gemacht habe. Die Leute sagen: "Oh, was ein süßes kleines Mädchen!" Aber sie ist mehr als das. Sie ist stark, ich bin stark – aber sie hat es nicht quer durchs Gebirge geschafft!"
Nicht nur im Film spitzt sich die Lage während einer Reise ins Hinterland zu. Unglaublich: Im wahren Leben ist Setareh Maleki nur wenig später gezwungen, zu Fuß über die Berge zu fliehen. Sie schafft es aus dem Land, reist dann weiter nach Frankreich. Schon hier – wenige Wochen später in Cannes – gibt es eine erste internationale Auszeichnung für den Film.
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Für mich bedeutete das: von der Flucht durch die Berge zu den schönen Palmen von Cannes. Ich hatte es geschafft – aber es fällt mir immer noch schwer, diesen Weg über die Berge zu beschreiben. Als ich in Frankreich angekommen bin, dachte ich: Okay, das passiert gerade wirklich! Doch ich konnte trotzdem einfach nicht glücklich sein. Ich habe alles daran gesetzt, dass es mir endlich wieder besser geht. Berlin hat dann alles geändert. Berlin ist mein neues Zuhause geworden."
Auch wegen Menschen wie Maryam, die ebenfalls aus dem Iran flüchten musste.
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Als sie nach Berlin gekommen ist, war ich gerade nicht in Teheran. Wir hatten einen Dreh in einer anderen Stadt. Sie hatte also das Land verlassen und ich dachte, ich sehe sie nie wieder – oder im besten Fall vielleicht in 10 Jahren. Dass wir jetzt beide hier sind, ist buchstäblich ein Wunder!"
Alte und neue Freundschaften bilden für sie das Fundament der neuen Heimat. Hier in Berlin, wo Begegnungen sonst oft flüchtig sind. Setareh Maleki fühlt sich angekommen – auch hier am Kotti.
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Das hier ist einer der Orte, die mich an Teheran erinnern – und einer der ersten, die ich in Berlin gesehen habe. Ich dachte: "Irgendwie kommt mir das bekannt vor!" Eine Atmosphäre wie in Teheran, aber ohne islamische Republik."
"Was war denn los?"
- "Die Schüler haben demonstriert und Parolen gerufen."
"Was zum Beispiel?"
- "Frau. Leben. Freiheit."
Die ständige Angst vor dem Regime ist im Film allgegenwärtig – vor und hinter der Kamera – ebenso wie der wachsende Widerstand, der sich ihm entgegenstellt. Originalaufnahmen aus den sozialen Medien der Protestbewegung werden immer wieder mit der Handlung verwoben.
Ein Jahr voller Höhen und Tiefen, mit lebensverändernden Wendungen liegt hinter Setareh Maleki. Nun also ein Oscar in greifbarer Nähe – ein weiteres wichtiges Etappenziel auf ihrem Weg.
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Schon als Sechsjährige habe ich davon geträumt, zu den Oscars zu gehen. Das habe ich mich immer gesehen, aber nicht, wie ich durch die Berge flüchte und das Land verlasse. Das möchte ich jetzt hinter mir lassen. Die Oscars scheinen mir da viel realistischer. Jetzt kommt endlich der gute Part!"
Dazu gehört auch die Wahl des passenden Outfits. Auf dem roten Teppich von Cannes hat sie sich gegen Schwarz und für Pink entschieden. Ein politisches Statement?
Setareh Maleki, Schauspielerin
"Im Mittleren Osten aufzuwachsen, ist an sich schon politisch. Wir wollen das gar nicht, aber alles ist politisch, wie du atmest, wie du dich kleidest... Es spielt keine Rolle, ob du willst oder nicht. Und ich möchte nicht mehr politisch sein."
In Berlin versucht Setareh Maleki ein Leben jenseits aller Politik zu führen. Unbeschwert, frei. Und darüber hinwegzusehen, dass auch das schon wieder politisch ist. Mal schauen, wie es bei den anstehenden Oscars läuft.
Autor: Bastian Welte