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Kann Operette cool sein? Warum nicht! Das Kollektiv Tutti d*Amore hat sich zumindest vorgenommen, dem manchmal als staubig verrufenen Genre Leben und Relevanz einzuhauchen. Derzeit sind sie an der Deutschen Oper Berlin – mit einem Programm rund um Richard Wagner und die aktuellen Kulturkürzungen.
Sie heißen Caroline, Anna, Ferdinand und Ludwig – und zusammen sind sie die fantastischen Vier der Operettenerneuerung.
"tutti d*amore" nennen sie sich und erobern gerade mit Leichtigkeit ausgerechnet die Deutsche Oper – ein Haus, das doch für seine erdenschwere Wagnertradition bekannt ist.
Ludwig Obst, Tenor
"Es ist etwas Interessantes an einem Ort zu sein, der so eine große Wagnertradition hat, und dann aber wir als Truppe aus der freien Szene. Wie verhält sich das – wie kann man damit umgehen?"
Ein Archivfund, Wagners "Götterdämmerung" 1967 an der Deutschen Oper - damals waren solche Kostüme ernst gemeint - 2025 sind sie Teil der Persiflage.
In tutti d’amores Operetten-Spektakel "Ab in den Ring!" sind die Figuren aus Wagners Nibelungen das Stammpersonal der Deutschen Oper, ergraut und in Routine erstarrt – dann kommt der Schock.
"Er sieht so miesepetrig aus
und nicht wie sonst so munter
Was hat er bloß, was hat er bloß
der liebe kleine Gunther?"
Intendant Gunther hat Post vom Senat bekommen - Sparmaßnahmen stehen an.
"Diesen Brief erhielt ich vom Senat…"
Ferdinand Keller, Tenor
"In unseren Stücken ist es tatsächlich auch schon angeklungen, weil in der freien Szene die Mittel ja schon immer nach wie vor relativ knapp waren und das für uns tatsächlich immer auch irgendwie ein Thema war. Inwieweit können wir eigentlich die Produktionen verwirklichen und unsere Ideen Wirklichkeit werden lassen. Das ist ein Thema, das uns schon lange beschäftigt und jetzt einfach passt – es ist verrückt…"
"Die roten Zahlen könnten am Morgen das Betriebsklima etwas trüben."
Die Deutsche Oper soll fusionieren – mit der Freie-Szene-Gruppe "Die Wilde Brünnhilde". Die crasht mit Elektro in die Szenerie und kommt, um zu bleiben.
"Hier kommt die Hilde
die wilde Brünnhilde
die wilde Brünnhilde
aus Berlin…"
Energiegeladene freie Szene – versus: graue Etablierte. Wieviel Wahrheit steckt da im Klischee?
Caroline Schnitzer, Mezzosopranistin
"Ich glaube, auch tutti ist darunter ja entstanden, dass wir sowohl die Institutionen und auch die Klassik und die Tradition wertschätzen, aber dass wir es auch als unsere Aufgabe sehen, damit in den Diskurs zu gehen und einfach auch zu gucken, was sind Vorteile davon, was sind aber vielleicht auch Dinge, wo wir einfach sagen, es ist unsere Aufgabe, als junge neue Generation, das anders anzupacken."
Kennengelernt haben die vier sich an der Berliner Musikhochschule Hanns Eisler – seit sie die Operette für sich entdeckt haben sind sie in Technoclubs aufgetreten, auf Festivals, im Zirkus – überall, wo sie ein junges Publikum begeistern können, dass sich vielleicht noch schwer tut mit der Klassik.
Ludwig Obst, Tenor
"Operette habe ich eigentlich erst im Studium kennengelernt als eigentlich ein Genre, das so schwer ist, dass man… so schwer zu singen und zu machen und gut darzustellen, dass sich viele gar nicht daran getraut haben."
Caroline Schnitzer, Mezzosopranistin
"Gleichzeitig haben wir in der Operette etwas entdeckt, was schon immer gesellschaftskritisch war, was schon immer humorvoll war, was mit seinen Melodien einlädt, Ohrwurmcharakter zu haben."
Anna Weber, Regisseurin
"Nicht zuletzt auch wegen der Spektakelhaftigkeit, die Operette irgendwie von Natur aus auch mit sich bringt. Das lässt sich, fanden wir, auch sehr gut in so einen Feierkontext übertragen, in nen subkulturellen Raum und so haben wir auch Publikum in unserem Alter angesprochen."
Und mit einem umgebauten Bus waren sie einen Sommer lang in Brandenburg unterwegs – mit einem eigenen Stück. Raus aus dem Speckgürtel, von Seelow bis Werneuchen. Ihr Motto lautet "Operette für alle!".
Ludwig Obst, Tenor
"Die Leute haben sich gefreut, dass da jemand kommt und das was passiert. Auch die coolen Kids aus dem Dorf haben schon skeptisch geschaut während unserer Probe, sind dann aber trotzdem zur Vorstellung geblieben und das war ganz schön."
Jetzt sind sie also zum ersten Mal an einem großen renommierten Haus – freuen sich über die üppigen Möglichkeiten und trotzdem müssen bald wieder die nächsten Förderanträge raus. In "Ab in den Ring" soll Siegfrieds Rheingold die Rettung für die finanzielle Misere sein.
"Das ist Rheingold,
das ist mein Gold,
das ist Nibelungengold…"
Doch schließlich ist kein Geld für gar nichts mehr da - und am Ende kacken die Tauben ins menschenleere Opernhaus. Eigentlich keine gute Aussicht – aber dank dieser Vier macht es zumindest Spaß, dabei zuzusehen.
Autor: Steffen Prell