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Polaroid-Fotos: Erinnerungen, die man – wenn auch etwas chemisch stinkend - sofort in Händen halten kann. Fotografen-Legende Helmut Newton hat seit Mitte der 60er mit ihnen experimentiert. Sie sind eine Art Vorstudien zu seinen weltberühmten Bildern. Zum aktuellen "European Month of Photography" werden jetzt seine Sofortbilder in einer einmaligen Gruppenausstellung mit denen von weiteren 60 Künstlern präsentiert. Es ist eine Hommage an die Instant-Fotografie quer durch alle Genres.
Er hat Frauenkörper überzeichnet, Weiblichkeit im Hochglanz inszeniert. In seinen Polaroids kann man Helmut Newton bei seiner Arbeit nun quasi auf die Finger schauen.
Matthias Harder, Helmut Newton Stiftung
"Das ist die Kamera von Helmut Newton, die er in den 60er und 70er Jahren verwendet hat. Die ersten Bilder, die wir hier sehen innerhalb der Ausstellung, sind mit dieser Kamera gemacht worden. Das ist Polacolor mit diesen charakteristischen kleinen weißen Rändern. Das Verrückte dabei ist ja, er hat teilweise dann noch was drauf geschrieben auf die Ränder. In dem Fall handelt es sich um Violetta, in Venice aufgenommen und sie trägt Yves Saint Laurent."
An den Wänden sind viele Bilder als große Prints abgezogen. Sie zeigen ihre ungeheure künstlerische Qualität – dabei sind alle Polaroids in Wahrheit nur Testaufnahmen, mit denen Newton sich an das eigentliche Magazin - oder Werbefoto herantastet.
Matthias Harder, Helmut Newton Stiftung
"Wenn wir uns anschauen, wie er fotografiert hat, dann ist das in der Tat so etwas wie eine Skizze. Wir können die Figurenkonstellation innerhalb des Bildes überprüfen, wir können die Lichtsetzung überprüfen. Und da konnte er mit Blick auf das Polaroid beim Shooting natürlich auch nachbessern."
Auch Newtons erotischen Bildern kommt man hier auf die Spur. Was zu seinem umstrittenen Markenzeichen wurde, begann zunächst als ganz privates Fotoexperiment mit seiner Frau June. Auf Polaroids.
Matthias Harder, Helmut Newton Stiftung
"Das sind diese frühen Bilder von Helmut und June, diese gegenseitigen Porträts, in diesem Häuschen in der Nähe von Saint Tropez. Das Verrückte hier ist, da sind auch eine Menge Aktbilder dabei. Und diese Aktbilder sind sozusagen die ersten Aktbilder in dem gemeinsamen Werk, denn es ist warm, die beiden laufen nackt durch den Garten ihres Hauses und sie fotografieren sich ständig mit der Polaroid Kamera."
Die einzigartige Sinnlichkeit, die lustvolle Spielerei mit analoger Technik – sie lebt in der Newton-Stiftung auf, aber eben nicht nur in Newton-Reminiszenzen, sondern mit einem umfassenden Blick auf die vielfältige Kunst, die mit Polaroids bis heute geschaffen wird. Die Ausstellung zeigt sechzig Künstler:innen, mit selbstreflexiven Fotostudien bis zu abstrakten chemischen Experimenten.
Polaroidporträts in Montagetechnik – damit ist zum Beispiel der Italiener Maurizio Galimberti berühmt geworden. Hier fotografiert er die italienische Schauspielerin Neomi Brando. Sein Konzept ist es, hinter die medialen Stereotypen von Berühmtheiten vorzudringen, wie bei Monica Bellucci oder Johnny Depp.
Maurizio Galimberti, Fotograf
"Ich habe Monica Bellucci und Johnny Depp in offiziellen Situationen fotografiert, Johnny Depp beim Filmfestival in Venedig. Das ist ein Riesenchaos, weil er ein Superstar ist. Auf meinem Portrait trägt er mal Brille, mal nicht. Der Manager sagte: Das musst du anders machen, er muss immer Brille tragen. Da sagte ich: das geht nicht, mein Konzept ist es, seine Verwandlung zu zeigen. Johnny Depp hat das als Künstler verstanden. Und dann hat er sich selbst eine Polaroid-Kamera gekauft, weil er Fotografie so sehr liebt."
Auch der Berliner Künstlerin Pola Sieverding geht es um die Dekonstruktion von Bildern – insbesondere von Rollen- und Geschlechterbildern. Auf kleinen Polaroids hat sie eine Serie von Wrestlern erstellt: Körperfragmente, die Männlichkeit hinterfragen.
Pola Sieverding, Künstlerin
"Ich hatte 2014 mich angefangen, für Wrestler insofern zu interessieren, als dass mich Körperbilder ganz grundsätzlich interessieren. Auch so eine Zuschreibung von Geschlechterbildern oder geschlechtlichen Zuschreibungen. Was ist eigentlich ein männlicher Körper? Und was das Polaroid mir da eigentlich ermöglicht hat, ist dieses Fragmentieren dieser Körper und denen sehr nahekommen, so eine Form von Intimität."
Im Grunde konterkariert Pola Sieverding mit ihrer Arbeit die hyperinszenierten Frauenskulpturen von Helmut Newton. Was sagt jemand wie sie zu seinen Superamazonen?
Pola Sieverding, Künstlerin
"Ich kann da durchaus mit einem großen Vergnügen gucken, das nicht ganz unkritisch ist."
Immerhin ist Newtons Kameramodell hochbegehrt. Jedes Foto mit ihr kostet 25 Euro - und ist natürlich ein Genuss wie diese vielschichtige Ausstellung.
Autor: Norbert Kron