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Gangster-Attitüde, Bling-Bling und dicke Hose, so unsere Vorstellung von Rap. Aber was passiert, wenn einmal nicht ein Alpha-Männchen am Mikrofon steht - sondern ganz normale Mädchen aus dem Wedding? Das feministische Rap-Projekt "Sisterqueens" zeigt, was für kluge Texte schon Zehnjährige schreiben und wie wichtig es ist, die eigene Stimme zu erheben. Das zeigt jetzt eine neue Langzeit-Dokumentation in den Kinos - perfekt zum Weltfrauentag.
"Auch der Mund ist eine Waffe
wie ein Schwert aus starken Worten
hier und dort, an allen Orten.
Das war ziemlich gut für ein Mädchen!"
"Die Sister in der Hood
hat n nicen Style.
Die Sister in der Hood
macht den Hiphop geil."
Auf der Bühne stehen, mit eigenen Songs, bejubelt vom Publikum: Viele Kinder und Jugendliche träumen davon. Das Rap-Projekt "Sisterqueens" macht diesen Traum wahr - für eine Mädchengruppe aus dem Wedding. Jamila, damals 9 Jahre, Faseeha, 12, und Rachel, 11 Jahre, gehören dazu.
Jamila
"Ich will Wissenschaftlerin werden."
Faseeha
"Ich will Schauspielerin sein."
Rachel
"Ich seh mich so richtig als Gangster, weißt du?"
Clara Stella Hüneke, Regisseurin, hat die Leiterin des Rap-Projekts dafür gewonnen, dass sie die Mädchen für eine Langzeit-Dokumentation begleiten darf: vier Jahre lang.
Clara Stella Hüneke, Filmemacherin
"Wenn man sich anguckt, wie junge Mädchen anfangen, eigene Kunst zu machen, dann sieht man erst, wie viel wir voneinander wissen durch die Kunst - also, dass so sich eigentlich erst vermittelt: Empathie und die Geschichten unterschiedlicher Menschen und Lebensrealitäten."
Alma Wellner Bou, Projektleiterin "Sisterqueens"
"Wir sind so ein bisschen an der Grenze von Kunst und sozialer Arbeit. Rap ist einfach eine sehr niederschwellige Methode, wie man arbeiten kann mit Kindern und Jugendlichen, die vielleicht nicht so die Möglichkeit haben, zum Klavierunterricht, zum Geigenunterricht, zu irgendwelchen anderen tollen Angeboten - oder wo es Instrumente zu Hause gibt. Sondern du musst dich nur hinstellen und hast deine Stimme."
Faseeha
"Ich kann nicht Freestyle rappen."
Der Dokumentarfilm zeigt, wie die Mädchen mit der Zeit an Mut und Ausdrucksstärke gewinnen. Zuerst macht das Mikrofon Jamila aber noch Angst.
Rapperin
"Kannst Du einen Song auswendig?"
Jamila
"Ja."
Rapperin
"Willst Du ans Mikro?"
Jamila
"Nein."
Rapperin
"Schade."
Jamila
"Ich schäme mich."
Der Weg zu eigenen Texten beginnt mit einem Gedankenspiel.
Haszcara
"Stell Dir vor, Du bist eine berühmte Rapperin. Was würdest Du der Welt sagen wollen?"
Heute beantworten Rachel und Faseeha, inzwischen 18 und 19 Jahre alt, diese Frage so.
Rachel Cooker
"Wenn Du jemanden nicht magst oder der Dich nicht mag, versuch trotzdem, ihm mal etwas Gutes zu tun."
Faseeha Chughtai
"Einfach - it’s nice to be nice! Wenn man Freude nach außen gibt, dann bekommt man sie auch zurück!"
Der Kinostart von "Sisterqueens" ist ein Anlass, sich wiederzusehen: Die Leiterin des Rap-Projekts, die Filmregisseurin und die Mädchen improvisieren eine "Sisterqueens"-Jam-Session.
"Denn ich weiß, ich bin Queen
And I feel it.
Now I see myself
That’s all I needed
Die sehen alle so gut aus"
"Denn ich weiß, ich bin Queen
and I feel it."
Rachel Cooker
"Wir waren noch jung, und deswegen dachten wir: Mein Gott, wie cool, ein Film! Deswegen waren wir eigentlich gleich begeistert."
Faseeha Chughtai
"Da dachte ich, ich werde ein Star! Hollywood, Bollywood, alles kommt!"
Rachel Cooker
"Alle wollen Dich!"
Faseeha Chughtai
"Es war dann eine Dokumentation. Ich dachte, wir würden in einem Film mitspielen, aber es war auch cool."
Rachel Cooker
"Dann ist es so viel echter."
Faseeha Chughtai
"Ja, es geht wirklich über uns und nicht: Wir müssen jetzt nicht einen Fake-Charakter spielen, jemand anderes sein, sondern wir können einfach wir selbst sein."
Der Film beobachtet, wie die Freundinnen gemeinsam innere Stärke gewinnen.
Jamila
"Damit die Frauen und Mädchen auch gleichberechtigt werden - und gleich viel Geld oder Arbeit bekommen - so wie die Männer und die Jungs."
Aus kindlichem Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit entwickelt sich politisches Engagement.
"Black Lives Matter!
No justice, no peace!"
"Ich bleibe immer true
weil ich andere respektiere
weil ich vieles probiere
und den Mut nicht verliere
Ich bleibe immer true"
Von Anfang an geht es in den gemeinsam geschriebenen Songs um Sisterhood - Schwesternhaft.
Faseeha Chughtai
"Ich liebe Sisterhood! Einfach, dieses Konzept, weil: ich weiß einfach, ich kann mich auf euch verlassen."
Rachel Cooker
"Wenn ich mich an Faseeha wende. Sie wird mich nie verurteilen, egal, was ich ihr sage. Sie wird mich nie verurteilen. Sie wird mir einen judgy Blick geben, aber sie würde mich nie verurteilen. Sie würde mir aus der Situation ihr Bestes geben zu helfen - und genauso ist es auch andersrum."
Die Regisseurin fühlt sich den Schwestern zugehörig. Sie teilt die Sicht der Mädchen auf ihre Welt – und bringt sie ins Kino. Der Film zeigt auch die Liebe der "Sisterqueens" für Berlin.
Rachel
"Die Stadt und ich…"
Faseeha
"Berlin!"
Rachel
"Berlin und ich - wir sind eins!"
Faseeha Chughtai wird im April anfangen, Soziale Arbeit zu studieren.
Faseeha Chughtai
"Jetzt habe ich mich langsam so entwickelt, dass ich so n bisschen von der Bühne eher weggehe und jetzt in Workshops gerne den Jüngeren helfe, herauszufinden, wer sie sind, was ihre Gedanken sind."
Doch bei "Sisterqueens" fehlen dafür aktuell die Mittel. Die Förderung für das Projekt ist ausgelaufen. Aktuell kann kein Mädchen mehr dort rappen lernen.
Clara Stella Hüneke, Filmemacherin
"Was für mich wichtig ist und was wir auch mit dem Film zeigen wollen: wie selbstbewusst und frei sich junge Mädchen entfalten können. Und dass diese Projekte im Rechtsruck, in diesen Kulturkürzungen, auch hier in Berlin, total bedroht sind. Da ist es auf jeden Fall mit dem Film ein Anliegen, das zu pushen, dass solche Projekte weiter stattfinden können."
Autorin: Anne Kohlick