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In der Tradition von Anna Seghers "Der Aufstand der Fischer von St. Barbara" und der Theateradaption von Erwin Piscator, bringt die Regisseurin und Autorin Milena Michalek ein Stück über Einsamkeit, Verlassenheit und Solidarität auf die Bühne. In das Stück fließen Geschichten und Gespräche mit Cottbuser Bürger*innen ein, die zum Teil auch mitspielen.
Es ist eine Zeit des Seufzens – so empfindet es Milena Michalek. Welche Stücke braucht da ein Theater in Cottbus? Mit diesen Fragen hat sich die Regisseurin lange herumgeschlagen. Und wie bekämpft man die Misere? Und das Stimmungstief?
"Things fall apart. And time breaks your heart."
"Streik. Streik. Streik!"
"Der Aufstand der Fischer von Santa Barbara" - Diese Novelle von Anna Seghers verarbeitet, aktualisiert von Milena Michalek. Es sind schlechte Zeiten für die Fischer.
"Wann hattest du denn deinen letzten guten Fang?"
- "Guter Fang? Was soll das denn sein?"
"Na, und den letzten mittelguten?"
- "Muss gut vier Jahre her sein."
"Versenk mich doch."
Milena Michalek, Regisseurin
"Mich hat das Motiv des Aufstands interessiert: Was heißt es, sich zu organisieren? Was heißt einen Streik zu organisieren? Was heißt es, für bessere Verhältnisse einzustehen und sich zu solidarisieren?"
Milena Michalek arbeitet mit einem besonderen Ensemble: Menschen aus Cottbus und Schauspiel-Profis. Gefunden haben sie sich in Stammtisch-Runden, zu denen das Theater eingeladen hat. Milena Michalek will mit Cottbuserinnen reden – über Streik, Sehnsucht, Trauer und ihre Ängste. Bei einem Treffen gleich nach der Bundestagswahl geht es um die Befürchtungen, die beispielsweise die Cottbuserin Janet hat:
Janet Stahr, Laiendarstellerin
"Was möglicherweise kommen könnte - was man eigentlich am liebsten gar nicht aussprechen möchte. Krieg. Faschismus, solche Sachen, wo man Gänsehaut bekommt, wenn man sie nur denkt."
"Ich sag dir, wovor ich Angst habe. Angst, allein durch den Park zu gehen. Angst, dass sie meinen Freundinnen hinterherrufen, weg mit dir, weil sie Händchen gehalten haben auf der Straße. Angst, dass Bibliotheken angezündet werden. Angst, dass Mädchen aus ihren Klassen gezerrt werden und abgeschoben werden, abgeschoben werden. Abgeschoben! Abgeschoben!! Abgeschoben!!! Was das für ein Wort ist!!!"
Torben Appel, Schauspieler
"In dem Angsttext geht es darum, dass Angst einen ja ganz oft erstmal ohnmächtig werden lässt. Und dass eine Ansammlung von Ängsten aber auch eine Wut in einem auslösen kann. Und diese Wut kann ja auch produktiv sein."
Wut als Motor! Oder Sehnsucht. Die Proben sind für Kerstin und die anderen eine Herausforderung. Abends, nach der Arbeit; und dann müssen sie sich das ja auch erst mal trauen: von sich zu erzählen!
Kerstin Kreisel, Laiendarstellerin
"Bei mir ging es eher weniger um Ängste, sondern tatsächlich um Sehnsüchte. Also einfach so eine unbestimmte Sehnsucht, die irgendwie nichts so richtig befriedigen kann."
"Ich wünsche mich ans Meer. Problem ist: ich habe kein Geld. Anke sagt, das wird schon. Ich werde es schon machen. Im Autoradio läuft Adriano. Nein! Gianna Nannini."
Von ihren Sehnsüchten, der Einsamkeit hat sie in der Stammtischrunde damals erzählt…
Kerstin Kreisel, Laiendarstellerin
"Und dann waren das einfach alles supertolle Menschen, die ich da kennengelernt habe."
Aus den vielen Fremden wurde ein Team. Sie haben geredet, diskutiert; so entstand dieses Stück. Es ist auch eine Auseinandersetzung mit politischen Künstlern der Vergangenheit. Wie haben sie gearbeitet?
Milena Michalek, Regisseurin
"Also es gibt schon viele Momente, würde ich sagen, in dem Stück, wo Leute etwas versuchen, verzagen und dann eigentlich aufgefangen werden oder mitgetragen werden oder auch durch einen Humor sozusagenweiter sachte, weiter geschubst werden."
Das Stück erinnert auch an Erwin Piscator, den legendären Theatermann: er hat Anna Seghers Novelle verfilmt – bei ihm gewinnen die Fischer den Aufstand. Und er hat mit Film auf der Bühne experimentiert Das Arbeitertheater: seine Vision! Was bleibt davon?
"Ahh. Das wäre jetzt wirklich super geil, wenn ich das besser beschriftet hätte."
Oh nein: Tipps von den Helden der Vergangenheit: Fehlanzeige! Trotzdem hat dieses so unterschiedliche Ensemble etwas Verbindendes gefunden – entwickelt:
Torben Appel
"Ich habe noch nie gehabt, dass man auf der Bühne so sehr aufeinander achtet – zwischen uns Spielerinnen und zwischen den Laien, die so ein Körper geworden sind. Das ist was ganz Besonderes, finde ich."
Kerstin Kreisel, Laiendarstellerin
"Das ist auf jeden Fall ja eigentlich, dass man so gemeinsam stark ist. Genau."
Janet Stahr, Laiendarstellerin
"Wir helfen uns gegenseitig wirklich. Wir sind irgendwie so zusammengewachsen."
Wer weiß: vielleicht bleibt von dieser Bühnen-Stimmung auch etwas in der Stadt? Ein kleiner Seufzer … des Glücks!
Autorin: Petra Dorrmann