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Bei all den politischen Streitereien in der Gesellschaft, scheint es derzeit doch einen Konsens zu geben: Deutschland soll wehrhaft und "kriegstüchtig" werden. Milliarden sollen dafür ausgegeben werden. Material und Menschen werden gebraucht. Dagegen wehrt sich mit erstaunlichem Erfolg der 27-jährige Ole Nymoen mit seinem Bestseller "Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde". Gegen den Zeitgeist argumentiert er gegen die geplante Wehrtüchtigkeit der Gesellschaft. Ist das naiv? Oder vernünftig?
An Deutschlands Schulen wird für den Krieg geübt.
"Ganz genau, das ist die Katastrophe, das ist die Notlage."
"Jetzt habe ich hier was ganz Lustiges: Ein Kurbelradio. Wer hat Lust?"
Es beginnt mit lustigen Gadgets – ein Notfallradio mit eingebauter Taschenlampe. Sowas braucht man, wenn der Krieg schon in vollem Gange ist. Wenn die gesamte Stromversorgung und Kommunikation zusammengebrochen ist.
Niedergörsdorf im Süden von Brandenburg. Ein ehemaliger Militärflugplatz. 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, Sowjetarmee. Dieser Ort hat alles an Krieg und Militär erlebt, was das letzte Jahrhundert zu bieten hatte. Seit knapp 25 Jahren liegt er brach.
Wir treffen uns hier mit Ole Nymoen. Geboren in Berlin, 27 Jahre alt. Nymoen hat gerade ein Buch geschrieben, dass er auf keinen Fall bereit ist, in den Krieg ziehen. In wenigen Wochen wurde es zum Besteller. Anlass war für ihn der Ukraine-Krieg und wie darüber geredet wird.
Ole Nymoen, Autor
"Und ich war relativ entsetzt darüber, mit was für einer Euphorie da einfach nur Journalisten, die völlig unbeteiligt sind, eigentlich wie am Spielfeldrand bei einem Fußballspiel standen und so der einen Seite zugejubelt haben, obwohl es da um was bitter Ernstes geht, weil da jeden Tag mitunter einfach Tausende Menschen sterben und sich gegenseitig umbringen. Und das nicht, weil die irgendwelche Probleme miteinander haben, sondern weil ihre Staaten verfeindet sind."
Seit 3 Jahren rüstet Deutschland auf. Mehr Waffen, mehr Soldaten. Wehrpflicht? Ole Nymoen aber verweigert sich der Logik, dass es für Aufrüstung, Wehrtüchtigkeit und letztlich für den Krieg gute Gründe geben könnte.
Ole Nymoen, Autor
"Amerika hat seinen Way of Life in Vietnam und im Irak verteidigt. Deutschland hat die Freiheit am Hindukusch verteidigt, Putin behauptet, die Freiheit der russischsprachigen Ukrainer zu verteidigen. Also alle sagen immer, wir verteidigen uns nur, das ist alles nur defensiv. Und komischerweise sieht es ganz oft sehr sehr offensiv aus."
Ole Nymoen erzählt in seinem Buch ganz ehrlich davon, dass er Angst hat vor dem Krieg. Es gibt ein Menschenrecht auf Angst. Denn keine Angst zu haben ist unmenschlich. Und demzufolge muss es auch ein Recht darauf geben, aus seiner Angst Konsequenzen zu ziehen – und das macht Nymoen. Er wird beim Krieg nicht mitmachen.
Ole Nymoen, Autor
"Einerseits geht es natürlich darum, dass man nicht sterben möchte, man nicht verwundet werden möchte. Es hinterlässt ja, selbst wenn man es überlebt, einfach schwere psychische Schäden. Andererseits will ich aber auch nicht auf Leute schießen, die ich nicht kenne und mit denen ich ja bislang keinerlei Probleme hatte, friedlich nebeneinanderher zu leben."
Nymoen stellt eine sehr einfache Frage: Ob es auf irgendeiner Seite des Krieges Gründe gibt, die das Sterben einfacher machen. Ob der Tod auf der vermeintlich gerechten Seite des Krieges besser zu ertragen ist.
"Whatever it takes."
Nymoen begründet seine Verweigerung aber auch sehr politisch. Diejenigen, so sagt er, die heute Aufrüstungsmilliarden beschließen - und ihre publizistischen Lautsprecher - werden morgen gewiss nicht jene sein, die für die Freiheit im Schützengraben liegen. Und Nymoen sieht in Deutschland eine politische Klasse an der Macht, die jahrzehntelang auf Konkurrenz zwischen ihren Bürgern gesetzt hat, die die Gesellschaft in Arm und Reich gespalten hat. Und die jetzt auf einmal militärischen Gemeinsinn fordert.
Ole Nymoen, Autor
"Das Interessante ist ja: Dieser Staat predigt ja eigentlich permanent die Eigenverantwortung, die Entsolidarisierung. Man hackt auf den Ärmsten rum, guckt noch mal, ob man den Bürgergeldempfängern noch ein paar Sanktionen zumuten kann. Und auf der anderen Seite, dann wenn es zum Krieg kommt, dann sagt man auf ein mal, wir müssen alle eine Solidargemeinschaft sein. Und das finde ich einfach absurd."
In solchen Sheltern waren einst Jagdflugzeuge versteckt. Werden wir sie bald wieder brauchen? Zur Verteidigung der Freiheit?
Nymoen würde vor dem Krieg fliehen, desertieren, überlaufen. Er würde eher in Unfreiheit leben - als für die Freiheit zu sterben.
Ole Nymoen, Autor
"Also eine Welt von 200 konkurrierenden Staaten, die sich das gute Leben auf diesem Planeten streitig machen, so eine Welt tendiert immer zum Krieg. Also man ist den ganzen Staaten, die auf dieser Welt konkurrieren und sich bekriegen, denen ist man als normaler Bürger hilflos ausgeliefert. Den feindlichen, wie den eigenen."
Fast allen Kriegen bescheinigt man, dass sie sinnlos waren – aber immer erst hinterher. Ole Nymoen plädiert dafür, sich mit dem Sinn von Kriegen vorher auseinander zu setzen. Sein Buch stellt die richtigen Fragen, auch wenn er auf viele keine Antwort hat bzw. nur eine, die für ihn selbst gilt. Aber das allein schon macht dieses Buch so wichtig.
Autor: Ulf Kalkreuth