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"Sex, Drugs und Wiener Klassik" so vielversprechend kündigt die Komische Oper ihre neue Inszenierung "Don Giovanni/Requiem" an, die der russische Regiestar Kirill Serebrennikov inszeniert. Don Giovanni als düsterer Fiebertraum.
Was macht der Sarg auf der Bühne? Und die Trauergemeinde? Ist der Schwerenöter Don Giovanni denn schon tot?
All das würde man gerne Regisseur Kirill Serebrennikov fragen – doch im Moment bekommt man eher ein Interview mit Taylor Swift – der Mann hat noch viel zu tun und den Kopf voll.
Immerhin lässt er es die Welt auch so wissen:
Sein Don Giovanni befindet sich zwischen Leben und Tod. Zusätzliche Texte aus dem tibetanischen Totenbuch reflektieren ein Leben.
"Lerne, wie man stirbt und du wirst wissen, wie man richtig lebt. Denn wer nicht weiß, wie man stirbt, weiß auch nicht, man richtig lebt."
Der Zwischenzustand zwischen Leben und Tod als Grundgedanke der Inszenierung – dieser Regieansatz ist für James Gaffigan durchaus im Stück angelegt.
James Gaffigan, Generalmusikdirektor
"Die Hauptthemen von Don Giovanni haben viel mit dem Tod zu Ton. Zu Beginn der Oper stirbt jemand, Don Giovanni wird zum Mörder."
"Am Ende der Oper verschwindet Don Giovanni – in die Hölle, oder in ein Nachleben. Die Oper ist also von Leben und Tod umrahmt – von Anfang an. Ich glaube nicht, dass Mozart als Mensch den Tod gefürchtet hat."
Vielleicht hat Mozart deswegen das wohl schönste aller Requien geschrieben.
In dieser Inszenierung folgt die Totenmesse nach dem eigentlichen Ende der Oper – nach Don Giovannis Höllenfahrt.
James Gaffigan, Generalmusikdirektor
"Normalerweise würde ich sagen: verrückte Idee. Aber wir sind ja in Berlin, warum nicht?"
"Die Tonart ist die erste Verbindung zwischen dem Requiem und Don Giovanni. Die "Todestonart" d-moll. Mozart hat sich die Moll-Tonarten für sehr besondere Stücke aufgehoben."
"Es ist eine interessante Kombination, denn die Oper handelt vom Tod eines Menschen, eines extremen, wilden Charakters, nicht unbedingt eines guten Menschen. Das Requiem betrauert eine tote Seele."
"Ich halte es für eine interessante Gelegenheit, um zu reflektieren. Das Requiem wird zu dem, als dass es tatsächlich gemeint war. Eine Meditation."
Dem weiblichen Geschlecht hat Don Giovanni nicht abgeschworen, soviel Werktreue soll sein. Aber noch etwas ist neu hier an der Komischen Oper. Der Frauenheld Don Giovanni ist flexibel geworden.
Die ihn leidenschaftlich liebende Donna Elvira ist nun: Don Elviro. Der brasilianische Sopranist Bruno de Sá ist wohl der erste auf Erden, der diese Rolle als Mann übernimmt.
Bruno de Sá, Sopranist
"Die Melodien, die Geschichte, das Drama ist genau gleich – wir haben nur das Geschlecht der Figur verändert. Ich denke, dass das der Handlung noch eine andere Intensität, eine andere Menschlichkeit verleiht."
"Wenn wir daran denken, dass es auch heute noch soviel Homophobie gibt – dann fügt, dass der Geschichte eine andere Farbe hinzu."
Und sieht man den Rumtreiber Don Giovanni dank dieser Inszenierung am Ende in einem anderen Licht?
Bruno de Sá, Sopranist
"Es ist einfach, Charaktere abzustempeln: Du bist der Gute – Du bist der Böse. In diesem Fall bekommt Don Giovanni wohl ziemlich viele schlechte Stempel. Aber er ist immer noch ein Mensch."
Statt Mozarts Höllenfahrt steht hier der Aufstieg in den Himmel – man darf also hoffen, selbst für Don Giovanni.
Autor: Steffen Prell