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Die in Berlin lebende, französische Künstlerin Dominique Hurth forscht seit 7 Jahren zur Textilproduktion im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Hier war die größte Weberei für Häftlingskleidung und Uniformen. Nun erkundet sie in einer Kunstinstallation diese Frauenschicksale anhand der Kleidung, die sie damals herstellten. Es sind Einblicke in den von Gewalt geprägten Alltag von Zwangsarbeiterinnen, die sie erstmalig unter dem Titel "Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden, Scharfes Messer glänzt, schneidet entzwei und sticht" wieder ins Bewusstsein holt.
"Leise, Maul halten!" das war der raue Ton im Alltag der Zwangsarbeiterinnen im KZ Ravensbrück. Das sind noch die harmlosesten Erinnerungen, die die französische Künstlerin Dominque Hurth gefunden hat und jetzt für eine Ausstellung vorbereitet. Es geht um die Geschichte der größten Textilproduktion in einem KZ.
Dominque Hurth
"Ja also das ist tatsächlich, das fängt an mit der Beschreibung, wie die Kolonne zur Nachtschicht ging. Also der Titel des Projektes heisst auch. `Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden, scharfes Messer glänzt, schneidet entzwei und sticht. Leise, Maul halten und leise wir schauen flüsternd wie spät es ist.` Das ist letztendlich das Ding, wie lange haben wir noch zum Arbeiten. Es ist ein wichtiger Text, denn einerseits ist es ein Bericht über die Erfahrung in der Textilproduktion und es ist gleichzeitig ein historisches Dokument, ein Dokument aus der Zeit und es ist ein, wenn nicht sogar das einzige Dokument aus Häftlingsperspektive aus der Zeit 1942/43."
Dominique Hurth zieht originale Nähmaschinen in die Räume der alten Weberei, um zu zeigen, wie hier gearbeitet wurde. Bis zu 5000 Frauen stellten in zwei Schichten Häftlingskleidung für alle deutschen KZs, und SS-Uniformen her. Propaganda-Fotos sollen zeigen, wie gut und geordnet die Produktion lief. 8 Jahre lang hat Dominique Hurth für die Ausstellung recherchiert.
Dominque Hurth
"Das sind wirklich Geschäftsberichte, Monat für Monat, Jahr für Jahr, die erzählen, was und wie produziert worden ist, welche neuen Gebäude gebaut wurden, wieviel Häftlinge da eingesetzt wurden, wieviel Aufseher da eingesetzt wurden, wieviel Geld gemacht wurde. Die haben wahnsinnig viel Profit gemacht, dass sie irgendwann nicht mehr wussten, was sie mit dem Geld machen sollten und das ist alles in diesen Berichten. Und als Gegenpunkt zu diesen sehr trockenen NS-Verwaltungsdokumente stehen eigentlich die Berichte von den Häftlingen."
Die Nähmaschinen sind für sie mehr als nur Objekte.
Dominque Hurth
"Naja Frauen geschlagen, also für jeden Knopf oder für jede Naht oder Faden, der irgendwie nicht richtig war, war es sehr einfach die Köpfe von den Frauen, die da gearbeitet haben gegen die Maschine zu schlagen. Es ist jetzt nicht nur eine Nähmaschine aus der Zeit. Es ist eher etwas, was über Gewaltgeschichte erzählt."
Lange, schwere Uniformstoffe hängen von der Decke. In tarngrün. "Stoff für Erinnerungen", so Dominique Hurth. Sie will den Opfern eine Stimme geben.
Dominque Hurth
"Es gibt diese Anekdote, dass die Läuse eingesammelt worden sind und in die Uniformen der Aufseherinnen eingenäht worden sind. Oder das ein paar Nähte nicht zugenäht worden sind, so dass der Fliegeranorak für die SS an der Front dann beim Anziehen zerschlagen. Und das sind so gute Momente. Diese Momente, tun gut beim Lesen, tatsächlich."
Gegenüber der Weberei, in der Dauerausstellung des KZ Ravensbrück hängt die Kleidung, die hierhergestellt wurde. Dominique Hurth wollte mehr über ihre Geschichte wissen und künstlerisch damit umgehen. Für die Gedenkstätte eine spannende Form des Erinnerns.
Andrea Genest, Stiftung Gedenkstätte KZ Ravensbrück
"Wir merken, dass diese starke Konzentration auf die Dokumente, der Geschichte in der Umsetzung in Kunst und künstlerische Sprache, dass es uns sehr hilft, gerade auch in der Kommunikation mit unseren Besuchenden. Je länger die Geschichte vorbei ist, desto mehr Menschen suchen nach Formen, sich Dinge zu vergegenwärtigen und von daher ist es für uns ein immens wichtiges Projekt."
Die Weberei auf dem Gelände ist Originalschauplatz und nun auch Ausstellungsort. Dass ausgerechnet eine Französin daran arbeitet, hat einen Grund, glaubt Dominique Hurth. Ihr Blick auf die NS-Geschichte ist noch neugierig und unverbraucht.
"Ich denke es gibt einfach diese Idee: man kennt das doch, alles wurde schon gemacht, alles wurde aufgearbeitet und es ist nicht mehr so wichtig, nicht so relevant. Also, das ist was ich ganz stark lese hier in dem Kontext, dass man das eigentlich nicht mehr anschauen möchte. Und einfach der gute Schüler der Aufarbeitung bleiben möchte. Was ich natürlich sehr hinterfrage."
Mit ihrer Ausstellung will sie dazu einladen, die Geschichten und die Geschichte der Täter und der Opfer in Ravensbrück neu zu entdecken.
Autorin: Theresa Majerowitsch