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Ukrainische Künstler*innen teilen mit uns ihren Blick auf den Krieg. In ihren Video-Tagebüchern lassen sie uns daran teilhaben, wie sich ihr Leben verändert hat. Viele sind noch auf der Flucht, weit weg von zu Hause. Theaterregisseur Pascha Jurov versucht seine Heimat, die Ostukraine, zumindest für einen Besuch wiederzusehen - obwohl sich dort gerade das Zentrum der Angriffe befindet.
Pascha Jurov, Theaterregisseur
"Das hier ist das "Theater der russischen Kultur". Hier wurden mal Texte von Puschkin, Lermontow und Tolstoi aufgeführt. Eigentlich bin ich Theaterregisseur. Mein Name ist Pascha Jurov.
Schon vor Kriegsbeginn hatte mich ein befreundeter Journalist und Militärarzt gefragt, ob ich ausländische Journalisten unterstützen kann, von der Frontlinie zu berichten. Damals war das noch im Donbass in der Ostukraine. Erst hatte ich Angst vor der Verantwortung, weil ich nicht wusste, was das genau beinhaltet.
Als der Krieg anfing habe ich zusammen mit meiner Freundin Kyiw verlassen; aber schon nach zwei Tagen wollte ich wieder zurückkehren. Schließlich habe ich begonnen, mit Radio France zusammen zu arbeiten."
Pascha Jurov, Theaterregisseur
"Mir ist bewusst geworden, dass ich möglichst nah am Geschehen sein muss, um selbst das Ausmaß der Zerstörung und der Gefahr zu begreifen und zu fühlen. Nicht, dass ich irgendetwas beeinflussen kann, aber für mich ist es äußerst wichtig und notwendig, da zu sein und Zeuge dessen zu sein, was geschieht.
Ich habe Opfer gesehen, in Butscha ich habe tote Menschen auf der Straße gesehen. Das ist nicht bloß eine Beobachtung, das sind auch nicht die Bilder, die man auf dem Handy oder dem Computer sieht, die schon grausam genug sind. Das ist ein Gefühl, das in deinen Körper eindringt, das sich visuell und taktil in das Innere hineinfrisst, und dein Körper braucht Zeit, um es zu verarbeiten.
Man erlebt das Leid physisch mit. Diesen Montag sind wir in Rubischne angekommen; Wir haben ein Theater gesucht, wo sich die Menschen versteckt hatten. In dem Moment, als wir ins Theater hineingegangen sind, begann ein Artilleriebeschuss. Ein Geschoss traf das Nebengebäude. Die Wände wackelten, Wir wussten nicht, wo das Geschoss als nächstes einschlagen würde. Ich hatte große Angst. In dem Moment, als wir das Gebäude verlassen wollten, explodierte es mehrmals ganz in unserer Nähe. Beim zweiten Versuch, als es zwei, drei Minuten lang ruhig war, sind wir sehr schnell aus dem Gebäude zu den Autos gerannt, haben ungefähr mit 130 km/h die Stadt verlassen und sind nach Severodonetsk gefahren.
Ich habe in letzter Zeit oft von Menschen, die sich geweigert haben, in einen Luftschutzbunker zu gehen, den Satz gehört: "Zuhause wird man von den eigenen Wänden geschützt."
Dieses Gefühl gibt mir der Donbass: Das ist mein zu Hause
hier fühle ich mich von den Steppen geschützt, von der Weite und dem Horizont, der mich umgibt.
Mit dem Ort verbindet mich eine Art Seelenverwandtschaft, trotz der Gefahr durch das Kriegsgeschehen.
Jeden Abend, wenn ich aus Severodonetsk oder Liman oder Avdiivka zurückkehre, sehe ich eine unglaubliche Sonne über dieser grünen Steppe: diese Schönheit beflügelt mich."
Autor*innen: Mitya Churikov, Charlotte Pollex