
-
Videotagebuch der Künstler*innen aus der Ukraine, die für rbbKultur seit Kriegsbeginn ihren Alltag und ihre Gedanken dokumentieren.
Liza German, Kuratorin, Kyjiw
"Unser erster Monat in Lwiw geht zu Ende. Die vergangenen Tage waren wir viel mit Bürokratie beschäftigt, von der Geburtsurkunde bis zur Beantragung des Status als "inländisch vertriebene Person". Ich habe für mich fest beschlossen: ich bin keine vertriebene Person. Ich bin ein Mensch, der früher oder später, aber wahrscheinlich bald wieder, zurück nach Hause kehrt nach Kyjiw. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Lwiw habe ich mit eigenen Augen die Auswirkungen einer Explosion gesehen."
Asia Bazdyrieva, Künstlerin, Krementschuk
"Es ist jetzt Woche fünf, und ich versuche immer noch, in dem Ganzen einen Sinn zu sehen, aber es wird immer schwieriger."
Tomas Hazslinszky und Viktoriia Dor-Zymomria, Künstlerin und Musiker, Lwiw
"Wir waren am Otchakiw-Friedhof. Dort sind wir auf einen Teil des Friedhofs gestoßen, wo ich neue Gräber gesehen habe. Es sind die Grabsteine der gefallenen Soldaten dieses Krieges. Es gibt immer mehr Kriegserscheinungen im alltäglichen Leben. Neulich war zum ersten Mal ein Soldat bei uns zu Gast. Wir saßen mit ihm bei uns in der Küche und haben einen Tee getrunken. Der Krieg wird zu einem Teil deiner privaten Umgebung."
Asia Bazdyrieva, Künstlerin, Krementschuk
"Ich glaube, das Hauptthema dieser Woche sind die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, die gerade stattfinden. Ich bin frustriert, weil ich nicht weiß, wie sich das alles weiterentwickeln wird. Die Anzahl der Kriegsverbrechen, die Russland begangen hat, aber auch die Art und Weise, wie es weiterhin gegen das Völkerrecht verstößt, lässt mich glauben, dass es keine annehmbare Lösung geben kann."
Tomas Hazslinszky, Musiker, Lwiw
"Viele unserer Freunde haben ihr Zuhause verloren. Einige Freunde sind auch schon verletzt worden und ein Bekannter ist gestorben."
Daniil Nemyrovskyi, Künstler, Mariupol
"Hallo, ich heiße Daniil, ich war lange Zeit in Mariupol. Die ganze Stadt war von Rauch und Brandgeruch umhüllt und im Zentrum hörte man Explosionen. Ich habe es geschafft, im Luftschutzbunker durch den Zusammenhalt der Menschen zu überleben. Im Bunker, in dem ich mich befand, waren viele Kinder und ich als Künstler wollte sie ein wenig unterhalten. Also habe ich sie gezeichnet; ich habe einige Kinder porträtiert und die Bilder an sie verschenkt."
Liza German, Kuratorin, Kyjiw
"Nach den Erlebnissen in Kyiw lassen mich die Explosionen hier in Lwiw unbeeindruckt. Ich hatte keine Angst. Man fürchtet sich kaum noch. Nur noch vor einem: von den Menschen, die einem nahestehen, getrennt zu sein. Das ist das Einzige, wovor man Angst hat."
Autoren: M. Churikov / S. Prell