Bella Poarch

28.09.2020 | Kultur Digital - TikTok für Einsteiger*innen

Alle reden über TikTok. Aber die wenigsten haben schon mal Zeit auf dieser Video-Plattform verbracht. Deswegen erkläre ich Euch heute, wie TikTok funktioniert. Außerdem dabei: Deutsche Einheit mit Gewalt. Und Fotos auf der Straße.

How to Break Up

Kurze Videos. Na, und?

Am Anfang war ich selber skeptisch. Was soll an kurzen Videos so toll sein? Mittlerweile finde ich: TikTok ist gerade das lebendigste und kreativste unter den sozialen Netzwerken.

Manche TikTok-Videos sind nicht länger als 10 Sekunden. Was Sinnvolles erzählen in so kurzer Zeit?

Geht. Wenn man schnell zum Punkt kommt.

Zum Beispiel wie man mit dem italienischen Partner Schluss macht.

Oder Tipps zum Schulstart von der Schriftstellerin Raphaela Edelbauer.

TikTok fasziniert, weil es so viele Möglichkeiten gibt, Videos zu bearbeiten und miteinander zu kombinieren.

Viele Videos würdet Ihr gar nicht verstehen. Weil ganz viele dieser Videos sich aufeinander beziehen. TikTok hat einen eigenen audiovisuellen Slang geschaffen.

Ein Nutzer hat das mal ganz gut auf den Punkt gebracht zur Frage, warum TikTok gerade erfolgreicher ist als Instagram:

„Diese Community ist im Prinzip ein großer Insider-Witz. Nur Menschen, die TikTok nutzen, verstehen TikTok.“

Bisschen verstehen könnt Ihr aber trotzdem.

Bella Poarch

Berühmt mit Mimik

TikTok hat zwei Nachrichtenströme, sogenannte Timelines. Das kennt Ihr von Facebook oder Twitter. Auf der ersten seht Ihr Videos von Nutzer*innen, die Ihr abonniert habt.

Die andere Timeline ist die „For You“-Page. Hier seht Ihr Videos von Nutzer*innen, die Ihr vielleicht noch nicht kennt, die Euch aber gefallen könnten. Aufgrund der Videos, die Ihr schon gesehen und vielleicht geliked oder kommentiert habt.

Das ist die erste Besonderheit: zwei Timelines. Eine für „kenne ich, gefällt mir wahrscheinlich“. Und eine für „kenne ich noch nicht, könnte mir aber gefallen“. Und die Vorschläge, die dieser Algorithmus macht, sind ziemlich gut.

Die zweite Besonderheit: Man kann die Tonspur von der Bildspur trennen. Sich zum Beispiel dabei aufnehmen, wie man zu Musik tanzt. So funktionieren die ganzen Tanz-Challenges.

Man kann aber auch nur Grimassen schneiden. Wie die 19 Jahre alte Fillipina Bella Poarch. Sie hat zum Song der britischen Rapperin Millie B nur ihre herausragende Mimik bemüht.

Das Video wurde mittlerweile über 36 Millionen mal geliked und ist aktuell das beliebteste Video auf TikTok. Und Bella Poarch wurde zum TikTok-Star.

Geht aber auch andersrum: Der High School-Lehrer Casey Hamilton aus den USA hatte vor kurzem dieses Video gemacht über sein Verhältnis zu Lohnarbeit.

Diese Tonspur ist mittlerweile viral gegangen und führt zu immer neuen Interpretationen.

Die dritte Besonderheit auf TikTok sind Duette. Also zwei Videos nebeneinander stellen.

Irgendjemand macht ein Video. Und jemand schließt daran mit einem weiteren Video an, das daneben gepackt wird. Damit kann man natürlich viel Unsinn basteln. Sehr viel Unsinn.

Aber so lassen sich auch andere Videos zitieren.

Wie es diese Psychologin aus den USA macht, um mit ihren weißen Follwer*innen ins Gespräch zu kommen über den Umgang mit Rassismus. Wie zum Beispiel mit Rassismus in der eigenen Familie umgehen?

TikTok Tagesschau

Es ist kompliziert mit TikTok

TikTok ist aber auch immer wieder in die Kritik geraten.

Zum einen, dass Videos von Homosexuellen oder von Menschen mit Behinderungen weniger oft gezeigt werden sollen.

Ich sehe zur Zeit oft Videos von Menschen mit Behinderungen oder aus dem Umfeld LGBTQ. Zum Beispiel von MarieAn, die sehr offen die Fragen von Nutzer*innen zu ihrem Tourette-Syndrom beantwortet.

Tourette ist eine Nervenkrankheit, bei der die Betroffenen sich unwillkürlich bewegen und Laute von sich geben. Hier erzählt MarieAn, wie sie damit umgeht, wenn sie zu ihrer Zahnärztin muss.

Und ich sehe auch oft Videos von lesbischen Frauen, die über ihre Erfahrungen erzählen.

Das kann aber auch daran liegen, dass ich in Deutschland lebe. Queere Hashtags in anderen Sprachen wurden vor kurzem wohl wieder mal unterdrückt.

Die zweite wichtige Kritik bezieht sich darauf, wie TikTok mit den persönlichen Daten der Nutzer*innen umgeht. Deswegen nimmt die US-Regierung TikTok gerade ins Visier.

Eigentlich sollte man TikTok dort gar nicht mehr runterladen können. Berichtete die Tagesschau auf TikTok. Ja, man kann hier auch Journalismus machen.

Aber ein US-Gericht hat Donald Trump jetzt einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Viele gerade junge Menschen in den USA fürchten sich vor dem Aus von TikTok. Gerade weil für viele dieses Soziale Netzwerk zu einem wichtigen Sprachrohr für ihre Themen wurde. Und weil es eben sehr oft ziemlich witzig ist.