Intendant Berliner Volksbühne -
René Polleschs erste Spielzeit als Intendant der Berliner Volksbühne ist zu Ende, doch die Bilanz fällt ernüchternd aus: die Auslastung ist mau und die Presse ist sich einigermaßen einig in ihrem negativen Urteil. Manche fordern sogar, die Kulturpolitik müsse "Konsequenzen ziehen". Was da schon wieder schiefgelaufen ist, fragt Frank Schmid unsere rbbKultur-Theaterkritikerin Barbara Behrendt.
2019 war das Echo auf René Polleschs Berufung an die Volksbühne geteilt. Die einen monieren: Kleinmütige Entscheidung – wo bleibt das weibliche, junge, diverse Team, das der Kultursenator versprochen hat? Die anderen sehen Pollesch als Erfolgsgarant und in ihm den bewährten Deckel für den Topf – mit allen alten Volksbühnen-Stars wie Martin Wuttke, Inga Busch, Kati Angerer.
Nach einem Jahr Pollesch-Intendanz muss man festhalten: Enttäuscht hat er sie alle. Eine derart versemmelte Spielzeit hätten sich selbst die Skeptischsten wohl kaum träumen lassen. Und zwar auf allen Ebenen: Kunst, Kommunikation, Kasse. Dabei war’s für Pollesch ein Heimspiel.
Polleschs Führungsstil ist nicht transparent, sondern blickdicht
Ein Blick auf die Kommunikation. Angetreten ist Pollesch mit verschiedenen "Träger:innen der Intendanz", gemeinsam haben sie sich auf die Leitung beworben. Hauptsächlich Schauspieler:innen, die Vorschläge machen, mit wem sie arbeiten möchten. Doch ihre Namen werden nie offiziell. Und das Gehalt wird nur an EINEN Intendanten ausgezahlt. Als das Haus öffnet, steht auch nur EIN Regisseur auf dem Programm: René Pollesch. Gleich drei seiner Inszenierungen dominieren den Spielplan. Und das bei angeblich so viel Team-Work.
Polleschs Führungsstil ist nicht transparent, sondern blickdicht. Die Abneigung gegen Marketing, beflissene Spielzeitkonferenzen oder Anbiederung ans Publikum ist dabei schöne alte Volksbühnen-Tradition. Doch wenn einem auf der Suche nach dem Ensemble nach sechs Monaten erst eine Theatermitarbeiterin unter der Hand verraten muss, wer dazu gehört – dann ist das der Geheimniskrämerei zu viel. Dann ist das Theater nicht "autonom, aber nicht hermetisch", wie Pollesch gern behauptet, sondern genau das: hermetisch, abgeriegelt, ein Raum für jene mit dem richtigen Passwort.
Alles hinnehmbar, solange die Kunst lohnt ...
Schön, dass Pollesch das Haus als Autor leiten will, mit neuen Stoffen, inszeniert von den Autor:innen selbst. Nur: leiten muss er es eben schon. In einem Interview räumt er ein, er wisse eigentlich gar nicht, was das für ein Job sei – Intendant. Ja, das merkt man. Auch ein Gespür für Spielregeln fehlt ihm – anders ist nicht zu erklären, warum er, als seien Bühnen völlig austauschbar, parallel auch noch am Deutschen Theater in derselben Stadt inszeniert.
Alles hinnehmbar, solange die Kunst lohnt. Doch neben Polleschs eigenen müden Abenden, in denen er sein Theatermachen bespiegelt wie eh und je, ist auf der Großen Bühne zunächst nur das erschütternd dilettantische Debüt zweier Regisseurinnen zu erleben, das ein verantwortungsbewusster Intendant nie freigegeben hätte.
Später Erwartbares von Bekannten: Susanne Kennedy, die schon Chris Dercon ans Haus geholt hat, Constanza Macras, Florentina Holzinger. Inszenierungen neuer Künstler wie Kornél Mundruczó und Julien Gosselin misslingen eher. Das schräg-schöne Rock-Konzert-Theater des philippinischen Filmemachers Khavn wird rasch abgesetzt. Vieles sei anders geplant gewesen, heißt es angesichts des dünnen Programms – da ist sie wieder, die lahmende Kommunikation.
Die alte Volksbühne ist tot, eine neue noch nicht zum Leben erweckt
Zuletzt zur "Kasse". Es soll, das sagte Pollesch bei seiner Berufung, "immer geil sein, wenn man da hingeht". "Geil" findet es das Publikum an der Volksbühne nicht – jedenfalls ist die Auslastung mit 62 Prozent so schlecht wie an keiner anderen großen Berliner Bühne, auch wenn die Zahlen coronabedingt nicht hundertprozentig vergleichbar sind. Nur, als Fabian Hinrichs auf die Bühne trat, erinnerte der Jubel ein bisschen an alte Volksbühnen-Zeiten.
Die alte Volksbühne aber ist tot. Und eine neue noch nicht zum Leben erweckt. Man muss jetzt nicht sofort nach Konsequenzen rufen, wie es der Berliner Tagesspiegel tut, und den Intendanten unter die Guillotine legen. Die Pandemie lässt mildernde Umstände gelten. Doch ob Pollesch das riesige Volksbühnen-Pferd nochmal zum Traben kriegt, das wird immer fraglicher. Noch so eine komplett vertrödelte Spielzeit erträgt jedenfalls niemand.
Barbara Behrendt, rbbKultur