
Drama - "Idioten der Familie"
Familiendramen sind im deutschen Film ein beliebtes Thema. "Idioten der Familie" ist ein Film über Geschwister. Regie führte der heute 76jährige Michael Klier, dessen letzter Film "Alter und Schönheit" 10 Jahre zurück liegt.
Überhaupt hat Klier in seiner 50jährigen Karriere als Filmemacher nur sechs lange Spielfilme gedreht. 1991 machte er mit "Ostkreuz" auf sich aufmerksam, die Geschichte eines jungen Mädchens, das mit seiner Mutter von Ost- nach Westdeutschland kommt. Klier ist ein wunderbarer Geschichtenerzähler, der seine Schauspieler liebt. Hier in "Idioten der Familie" sind das Jördis Triebel, Hanno Kofler, Florian Stetter, Lilith Stangenberg und Kai Schewe. Sie spielen fünf Geschwister, die sich an einem Wochenende in ihrem Elternhaus noch einmal treffen, bevor das Nesthäkchen, ihre geistig behinderte Schwester Ginnie, ins Heim kommen soll.
Bisher hatte ihre ältere Schwester für sie gesorgt und dafür ihre Karriere als Künstlerin an den Nagel gehängt. Doch nun kann sie nicht mehr, will nicht mehr. Ihre Brüder befällt in diesen Tagen ab und zu das schlechte Gewissen, da wird philosophiert, was geistig krank zu sein überhaupt heißt, da werden Pläne geschmiedet, bei Ginnie zu bleiben, um ihr das Heim zu ersparen. Lachend und weinend dazwischen: die Schwester, an der alles hängt und die ja auch nicht weiß, ob das alles richtig ist: Jördis Triebel.

Misstrauen, Neid, Eifersucht
Das Zusammensein der fünf Geschwister ist geprägt von einer irritierenden körperlichen Nähe. Das andere ist ein unterschwelliges Misstrauen, Neid, Eifersucht. Eigentlich ist keiner von ihnen wirklich sympathisch. Diese fünf Geschwister sind alleine in ihrer Welt, in den vier Wänden des elterlichen Hauses irgendwo am Rande der Großstadt. Obwohl jeder von ihnen gehen kann und auch nach diesen Tagen gehen wird, wirken sie alle wie Gefangene. In der Enge des Raums bleibt die bewegte Kamera dicht an ihnen dran, lässt sie nicht entkommen.
Lilith Stangenberg spielt Ginnie und das sehr überzeugend. Man erfährt nicht, worin genau ihre Behinderung liegt. Sie hat keine Sprache für das, was sie sieht, was sie will und nicht will. Ginnie ist vor allem lebenshungrig und darin absolut eins mit sich. Und gibt mit ihrer Art die Antwort auf den Titel des Films: "Idioten der Familie". In diesem Fall sind das die anderen.

Ein großartiger Ensemblefilm
Es geht Klier um einen generellen Egoismus unserer Zeit. Das Schöne: so wie er davon erzählt, hat das gar nichts Moralisierendes. "Idioten der Familie" ist ein Kammerspiel und ein großartiger Ensemblefilm. Der ein bisschen an Thomas Vinterbergs "Das Fest" erinnert.
Christine Deggau, rbbKultur