DVD Kritik - Land des Honigs
In einer kargen und abgelegenen Region im mazedonischen Bergland wohnt die Imkerin Hatidze Muratova. Ihr "Land des Honigs" ist alles andere als ein Schlaraffenland, in dem Milch und Honig fließen: Alleine mit ihrer bettlägerigen Mutter lebt die 50-Jährige in einem verfallenen Bergdorf, in einer Hütte ohne Strom und fließendes Wasser.
Alles andere als ein Schlaraffenland
Lebensgrundlage der beiden Frauen ist der Honig der wilden Bienen, den Hatidze in Felsspalten und abgestorbenen Baumstämmen sammelt und anschließend auf dem Markt in Skopje verkauft. Eine mühsame und nicht ganz ungefährliche Arbeit, die Hatidze mit bloßen Händen und ohne Schutzkleidung verrichtet – nur mit dem jahrhundertealten Wissen ihrer Vorfahren.
Eine Frau im Einklang mit der Natur
Eine Frau völlig im Einklang mit der Natur – das ist der Eindruck, der in den ersten Minuten des Films entsteht. Dann allerdings droht Ungemach durch überraschende Neuankömmlinge: Eine Nomadenfamilie zieht in das verlassene Dorf ein – zwei Erwachsene und gleich 7 Kinder mit ihrem Wohnwagen und einer großen Kuhherde. Zunächst freut sich Hatidze über die Neuankömmlinge, doch schon bald beginnen die Probleme. Die Kühe der Familie sterben nach und nach an einer Krankheit, auch beim Ackerbau stellen sich die Neuankömmlinge nicht sehr professionell an, und dann beginnt Vater Hussein auch noch mit der Imkerei …
Zwei Oscar-Nominierungen
Dass es ein Dokumentarfilm aus Nordmazedonien auf die große Bühne des internationalen Films geschafft – es gab sogar zwei Oscar-Nominierungen für "Land des Honigs" – das ist nicht zuletzt den einzigartigen Bildern von Kameramann Fejmi Daut zu verdanken: eine Mischung aus Nahaufnahmen, Landschafts- Panoramen und aus Vogelperspektiven, die aus der Luft mit einer Drohne gemacht wurden.
Zerfurchte Gesichts-Landschaften
Die beiden Regisseure Tamara Kotevska und Ljubomir Stefanov brauchen weder einen großen erzählerischen Rahmen noch ein ausgeklügeltes Drehbuch. Im Grunde steckt ihr ganzes Narrativ in den Bildern und in den zerfurchten Gesichtern der Protagonisten, die ein wenig so aussehen wie die Karstlandschaften des südlichen Balkan.

Reinste Poesie
Wie Hatidze Muratova mit ihren Bienen umgeht, wie sie ihre selbstgebauten Körbe auf dem Rücken trägt und dazu ein uraltes Lied singt – oder wie sie mit Blättern einzelne Insekten aus dem Wasser fischt, die beim Trinken in den Brunnen gefallen sind, das ist filmische Poesie, die lange nachwirkt.
"Land des Honigs" reflektiert das Verhältnis von Mensch und Natur ohne großen theoretischen Überbau und ohne erhobenen Zeigefinger. Wer diesen Film gesehen hat, isst sein nächstes Honigbrot mit einem ganz anderen Bewusstsein!
Carsten Beyer, rbbKultur