Musik-Dokumentation - "Dreiviertelblut - Weltraumtouristen"
"Dreiviertelblut" ist eine Band aus Oberbayern, die ihre Musik selbst als "folklorefreie Volksmusik" bezeichnet. Ihr Markenzeichen sind das bayerische Idiom von Sänger Sebastian Horn und die opulenten Melodien von Gitarrist Gerd Baumann. "Dreiviertelblut" stehen aber auch für anarchischen Humor und philosophische Spitzfindigkeiten. All das kann man im Film "Weltraumtouristen" von Regisseur Marcus H. Rosenmüller erleben.
Wie ein Naturbursche sieht Sebastian Horn eigentlich gar nicht aus, der Mann, der ganz zu Beginn von Marcus H. Rosenmüllers Film durch den bayerischen Winterwald stapft. Die traurigen Augen, der buschige Vollbart und die dicke Hornbrille verleihen ihm eher die Aura eines nachdenklichen Philosophieprofessors – und so klingen auch die Texte, mit denen der Sänger den Sound von "Dreiviertelblut" prägt.
Heimatliebe aus kritischer Distanz
Seit 2009 arbeitet Horn mit dem Gitarristen Gerd Baumann zusammen. Ursprünglich wollten die beiden lediglich die Musik für einen Heimatfilm komponieren, doch über die Jahre entwickelte sich aus der Männerfreundschaft eine der spannendsten und erfolgreichsten Bands der Neuen Bayerischen Volksmusik.

"Dreiviertelblut", das ist keine krachlederne Bierzeltfolklore, keine schenkelklopfende Beweihräucherung des bayerischen "Mia san mia". Heimatliebe ist für Sebastian Horn eher kritische Distanz und ständiges Hinterfragen einer Tradition, die mit seinem Leben kaum noch etwas zu tun hat.
Keine klassische Musikdokumentation
Eine Volksmusik-Band, die gar keine Volksmusik-Band sein möchte: Diese Ambivalenz hat auch Regisseur Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot") interessiert. Sein Film über "Dreiviertelblut" ist keine klassische Musikdokumentation mit Sex & Drugs & Rock’n Roll, mit Promi-Anekdoten und rauschenden Partys im Backstage-Bereich. Stattdessen versucht er die Gedankenwelt seiner Protagonisten zu illustrieren – mit elegischen Schwarzweiß-Bildern aus der bayerischen Natur und kleinen, absurden Spielszenen, in denen ein Weltraumanzug und eine selbstgebastelte Rakete aus Pappmaché eine wichtige Rolle spielen.
Heimatmusik im 21. Jahrhundert
Heimatmusik, sagt Gerd Baumann, sei im 21. Jahrhundert kein regional begrenztes Phänomen mehr, sondern ein globales. Um das zu verstehen, müsse man sich aber erstmal ein gutes Stück von der Erde entfernen. Erst als Weltraumtourist merke der Mensch, dass ihm das Fundament für jeden dogmatischen Glauben fehle.
Willkommenes Futter für die konzertfreie Zeit
"Weltraumtouristen" ist das Porträt zweier liebenswerter Sonderlinge und ihrer Kunst - und eine gelungene Einführung in eine neue, weltoffene bayerische Volksmusik. Als Bonus ist auf der DVD zusätzlich ein bislang unveröffentlichtes Konzert zu finden, das Dreiviertelblut 2016 im Prinzregententheater aufgenommen haben, zusammen mit den Münchner Symphonikern unter Olivier Tardy. Eine schöne Ergänzung zum Film und eine Menge willkommenes Futter für die konzertfreie Zeit, die wohl leider noch eine Weile anhalten wird.
Carsten Beyer, rbbKultur