Drama - "Minari. Wo wir Wurzeln schlagen"
Der Film "Minari. Wo wir Wurzeln schlagen" erzählt von einer koreanischen Einwanderer-Familie, die in den USA ein Stück Land kauft, um sich dort ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Auch für den Regisseur Lee Isaac Chung war dies die Verwirklichung des amerikanischen Traums. Für insgesamt sechs Oscars war "Minari" nominiert, erhalten hat der Film eine Auszeichnung: Die über 70-jährige Youn Yuh Jung wurde als beste Schauspielerin in einer Nebenrolle geehrt.
Noch nie waren die Oscars so bunt und vielstimmig wie in diesem Jahr: Zusammen mit "Nomadland" von der amerikanisch-chinesischen Regisseurin Chloe Zhao war in diesem Ausnahmejahr auch die koreanische Einwanderungsgeschichte "Minari" für insgesamt sechs Oscars nominiert. Triumphiert hat "Nomadland", doch immerhin ein Oscar ging auch an "Minari" - und zwar an die über 70-jährige Youn Yuh Jung als beste Schauspielerin in einer Nebenrolle.
Das Herzblut der eigenen Erfahrungen
Man spürt in diesem Film sehr schnell, dass Regisseur und Drehbuchautor Lee Isaac Chung mit Herzblut davon erzählt, was er selber in seiner Kindheit so hoffnungsvoll wie schmerzlich erlebt hat: Die große Hoffnung ist erst mal eine große Enttäuschung:
Nach einer langen Fahrt kommt die koreanische Familie Yi - Vater, Mutter und zwei kleine Kinder - in den Achtziger Jahren im ländlichen Arkansas an einem ziemlich kärglichen Flecken Erde an, auf dem ein Haus steht, das in Wirklichkeit ein riesiger, unansehnlicher Wohnwagen-Schlauch ist, der eher wie ein Bauwagen-Container aussieht. Während die Kinder mit kindlicher Neugier auf die neue Situation reagieren, steht Mutter Monica das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Besonders sorgt sie sich, dass der Weg zum nächsten Krankenhaus zu weit ist für den kleinen Sohn, der an einem angeborenen Herzfehler leidet.
Um sie ein wenig zu versöhnen, schlägt Jacob vor, seine Schwiegermutter Soonja zur Unterstützung aus Korea zu holen. Das wiederum findet der kleine David, der mit ihr das Zimmer teilen muss, zunächst alles andere als erfreulich. Er wünscht sich ein Oma, wie sie seine amerikanischen Klassenkameraden haben, die Kekse backen kann, nicht flucht und keine Männerunterhosen trägt.
Die alte Dame und der kleine Junge
Doch dann wird das Verhältnis zwischen der alten Dame und dem kleinen Jungen zum schlagenden Herzen dieses Films, der seine warmherzige Geschichte aus vielen kleinen Details destilliert und aus dem natürlichen Charme der durchweg wunderbaren Darsteller.
"Minari" ist ein betörend intimes Portrait einer Familie, die für ihren persönlichen amerikanischen Traum alles riskiert und viele Rückschläge einstecken muss. Dabei gelingt Regisseur Lee Isaac Chung das Kunststück eines Feelgood-Movies, das die enormen Schwierigkeiten, die in einem Neuanfang auf kargem Land liegen, trotzdem nicht leugnet.
Die besondere Kunst des Films besteht darin, ganz authentisch vom Ringen um eine bessere Zukunft zu erzählen, ohne dabei jemals in die Falle der Sentimentalität zu tappen. Mit feinem Gespür für die Nuancen und Widersprüche der menschlichen Existenz und für die komplexe Dynamik von Fremdheit und Anpassung verschiedener Kulturen erzählt der Film von großen Hoffnungen, herben Enttäuschungen und schwer erkämpften Erfolgen. Dank großer Komplexität und emotionaler Tiefe kommt man diesen Menschen, die um ihre Zukunft in einem fremden Land kämpfen, so nah, als würde man mit ihnen am Tisch sitzen.
"Weißt du noch, was wir uns bei der Hochzeit geschworen haben?", fragt Jacob seine Frau. "Dass wir nach Amerika gehen und uns gegenseitig retten!" - "Ich weiß es noch", erwidert sie.
Der amerikanische Traum - nicht nur für den Gemüsebauern, auch für den Regisseur
Glücklicherweise hat sich auch Regisseur Lee Isaac Chung nicht von seinem großen Traum abbringen lassen. Und glücklicherweise hat Brad Pitt den Film mit seiner Produktionsgesellschaft Plan B Entertainment finanziert. Das wiederum hat bei der Oscar-Verleihung für die beste weibliche Nebenrolle an Youn Yuh Jung zu einem besonders berührenden Moment geführt, als die große alte Dame des koreanischen Kinos den Schauspielkollegen wie ein schwärmendes Mädchen begrüßte:
"Mr. Brad Pitt, finally, nice to meet you, where were you while we were filming? Very honored to meet you …"
So beweist "Minari", benannt nach dem koreanischen Kraut, das die Großmutter in einer Lichtung am plätschernden Bach pflanzt, wieder einmal: je lokaler eine Geschichte verwurzelt ist, desto universeller wirkt sie.
Anke Sterneborg, rbbKultur