Historisches Drama - "The Last Duel"
Immer wieder hat der britische Regisseur Ridley Scott totgeglaubten Genres frisches Leben eingehaucht: dem Sandalen-Film in "Gladiator", dem Science Fiction-Horror in "Alien", dem Ritterfilm "Kingdom for Heaven". Man darf also gespannt auf sein neuestes Werk "The Last Duel" sein, das im Frankreich des 14. Jahrhunderts spielt. Basierend auf Eric Jagers Sachbuch "The Last Duel: A True Story of Crime, Scandal, and Trial by Combat in Medieval France" erzählt der Film eine wahre Begebenheit - quasi einen mittelalterlichen #Metoo-Skandal.
Es beginnt in düsteren, kalten Farben. Jean de Carrouges (Matt Damon) und Jacques Le Gris (Adam Driver) sind Freunde, die gemeinsam in die mittelalterlichen Schlachten ziehen. Während der eher derbe Jean weiterhin für seinen König in den Krieg zieht, um die Abgaben für seine Ländereien bezahlen zu können, macht der intellektuelle Dandy Jacques Karriere am Hof, als Günstling des Grafen Pierre d'Alençon.

Toxische Ménage à trois
Affleck und Damon sind hier nicht nur vor der Kamera vereint. Nach ihrem gemeinsamen Drehbuch-Erfolg "Good Will Hunting" sind sie jetzt auch als Co-Autoren zusammen mit Nicole Holofcener am Drehbuch beteiligt: Zwei Männer und eine Frau schreiben zusammen eine toxische Ménage à trois: Als Jean die schöne Marguerite (Jodie Comer) heiratet, kommt es zum Streit um ein Stück Land, das zu ihrer Mitgift gehören sollte, aber Jacques zugesprochen wurde. Die Fehde eskaliert, als sich Jacques auch noch für Marguerite zu interessieren beginnt.
Was dann geschieht, kennt man nicht erst seit #Metoo: Einer Frau wird Gewalt angetan von einem Mann - aber es ist ihre Integrität, die angezweifelt wird.
Drei Perspektiven – drei Wahrheiten
So wie einst Akira Kurosawa in "Rashomon" erzählt nun auch Ridley Scott die Geschichte der Vergewaltigung einer Frau aus drei verschiedenen Perspektiven: der des Ehemanns, der des mutmaßlichen Vergewaltigers und zuletzt der der betroffenen Frau.
Man muss detektivisch genau aufpassen, um die oft kleinen aber bedeutsamen Unterschiede aufzuspüren. Stück für Stück setzen sich die Teile einer komplexen Geschichte neu zusammen, verändern sich die subjektiven Wahrheiten. Auf unterschiedliche Weise geht es für alle drei um die Ehre und damit unter den Bedingungen des Mittelalters um alles oder nichts. Den höchsten Preis aber hat in jedem Fall die Frau zu bezahlen, der in einer von Männern dominierten Welt niemand glaubt:
"Die Wahrheit ist nicht von Belang", sagt die Schwiegermutter, die es am eigenen Leib erfahren hat: "Es gibt allein die Macht der Männer!" - "Ich werde nicht schweigen", sagt Marguerite.
Es ist ein wuchtiges Drama, das Ridley Scott hier ganz langsam und mit stetig steigender Spannung entfaltet, mit einem stetigen Sog auf das finale Duell, das nicht mit Pistolen auf Distanz ausgetragen wird, sondern krachend und knirschend in Rüstungen zu Pferde, mit Speeren und Beilen. Und obwohl die Geschichte im 14. Jahrhundert spielt, wirkt sie brennend modern. Damals hatte eine Frau kaum Chancen auf Rehabilitierung. Erschwerend hinzu kam das absolute Vertrauen in das Urteil Gottes: Würde ihr Mann im Duell unterliegen, würde das als Schuldspruch Gottes gewertet.
Diese wahre Geschichte aus dem 14. Jahrhundert verdeutlicht noch einmal, dass sich noch viel zu wenig geändert hat. Bis heute scheuen Frauen davor zurück, die Männer für erlittenes Leid zur Rechenschaft zu ziehen. Bis heute müssen sie sich vor dem Urteil fürchten, das von der Presse, der Polizei, den Gerichten über die Opfer gesprochen wird, statt über die Täter.
Anke Sterneborg, rbbKultur