Biografischer Thriller - "House of Gucci"
Der britische Regisseur Ridley Scott bringt dieses Jahr gleich zwei Filme ins Kino. Das Mittelalterdrama "The last Duel" mit Matt Damon und Ben Affleck startete Mitte Oktober, nun läuft der Film "House of Gucci" an. Die Familientragödie beruht auf einer wahren Begebenheit: 1995 ließ Patrizia Reggiani, die geschiedene Frau des Unternehmers Maurizio Gucci, ihren Ex-Mann durch einen Auftragskiller ermorden. Sie wurde zu 18 Jahren Haft verurteilt und kam 2016 wieder frei. Die Familie Gucci hat bereits mit rechtlichen Schritten gegen den Film gedroht.
Es ist nachvollziehbar, dass die Familie Gucci nicht entzückt ist, wie sie in dem Film von Ridley Scott dargestellt wird. Scott macht aus dem Ehedrama einen Operette, die erst spät in die Tragödie umschwenkt. Da fragt Patrizia bei einem nächtlichen Zusammentreffen ihren Noch-Ehemann Maurizio: "Habe ich ein Monster geheiratet?" Dieser antwortet: "Nein, Du hast einen Gucci geheiratet" und wendet sich kalt von ihr ab. Für die Zuschauer sind die kleinen Spitzen gegen das Modeunternehmen durchaus amüsant.
Die Guccis sind in dem Film ein wankendes Imperium, der Firmengründer Guccio Gucci ist schwerkrankt und hängt alten Erinnerungen nach. Sein Bruder Aldo will das Unternehmen neu aufstellen und sucht nach Geschäftspartnern. Jeder misstraut jedem in diesem Film. Die Guccis sind Aufsteiger und erkennen sich selbst, als Patrizia Reggiano einen der ihren heiratet Maurizio, den Enkel von Guccio Gucci. Sie glauben, als Ehefrau will sie das Unternehmen kapern.

Ridley Scott übertreibt subtil den Gucci Geschmack
Der Film ist von Janty Yates ganz im Beige der Gucci-Taschen ausgestattet. Nicht im feinen Kamelhaarton, sondern in einem etwas muffigen Beige. Janty Yates hat schon für Ridley Scotts "Gladiator" einen Oscar gewonnen. Hier setzt sie die Kostüme extrem intelligent ein, immer am Rande der Parodie. Die großen Pilotenbrillen der 80er-Jahre, die breiten Revers der Jacketts und dann nach der Heirat die Klunker von Patrizia, die angeberischen Taschen, die ganze halbseidene Aura von Gucci. Alles ist ein bisschen zu viel, zu golden, alles trägt das Doppel-G so demonstrativ, dass es schon wieder billig wirkt. Es ist, als wäre der Film mit Gucci-Kopien ausgestattet.
Die Schauspieler passen sich der Theatralik des Kostümfilms an
Lady Gaga kämpft tapfer, entwickelt eine unglaubliche Präsenz, aber spielt als stünde sie auf der Bühne und müsste noch die letzte Reihe erreichen. Viel feiner findet Al Pacino den Klang des Films. Als verlebter Aldo Gucci schrabbt er virtuos an der Schmierenkomödie vorbei, während Jared Leto, als Aldos trotteliger Sohn, seinen Part fast singt.
Interessant ist die Rolle von Salma Hayek, als düstere Wahrsagerin Pina, die Patrizia zu ihrer Tat antreibt. Anders als Lady Gaga muss Hayek nicht alle Register ziehen, um als dunkles Medium präsent zu bleiben. Und pikant: Salma Hayek ist mit François-Henri Pinault verheiratet, zu dessen Unternehmen die Modemarke Gucci heute gehört. Nur Adam Driver als Maurizio Gucci spielt gewohnt zurückgelehnt. Das Opfer bleibt von Ridley Scotts Spott verschont.

Die Wendung zur Tragödie gelingt nicht
Die große Schwäche des Films ist, dass die Wendung von der Operette zur Tragödie wenig glaubhaft wirkt. Man spürt zwar, wie Maurizio zunehmend genervt ist von den Versuchen seiner Frau, das Unternehmen zu leiten. Man spürt seine wachsende Distanz, als Patrizia anfängt sich als eine Gucci aufzudonnern. Man kann nachvollziehen, dass er sich mit der eleganten Innenarchitektin Paola Franchi wohler fühlt. Aber der Hass von Patrizia, der zum Mord führt, den kann man nicht nachvollziehen.
Der Film wandelt sich von der Operette in ein Drama, die Killer sind armselige Leute, die dringend Geld brauchen. Den Mord führen sie skrupellos und ungeschickt aus. Die Wirklichkeit ist sinnlos und schäbig und man hat den Eindruck, der Regisseur hadert mit dieser Realität. Seine Filme von "Thelma and Louise" bis "Galdiator" haben bisher immer in der Tragödie eine übergeordnete Bedeutung gefunden, hier ist das Ende schrecklich und banal.
Trotzdem macht "House of Gucci" Spaß, weil der Film Prunk und Reichtum der Haute Couture als seelische Armut entlarvt.
Simone Reber, rbbKultur