Drama | Berlinale Wettbewerb - "Rimini"
Einen vergnüglichen Urlaubs-Trip sollte man von dem österreichischen Regisseur Ulrich Seidl nicht erwarten. Statt in den quirligen italienischen Sommer geht es in seinem Film "Rimini" dann auch in den klammen, diesigen Winter der Nebensaison.
Im Zentrum steht ein abgehalfterter Westentaschen-Elvis, ein Schlagersänger mit dem klingenden Namen "Richie Bravo", der hier die kläglichen Reste eines lang vergangenen oder vielleicht auch nie dagewesenen Ruhms verheizt.

Westentaschen-Elvis
Michael Thomas spielt ihn als großen Zampano und dauerbesoffenen Gigolo, der mit kitschigen Schlagern und großen Gesten das Abendprogramm für Reisegruppen betagter Damen bestreitet, denen er dann nachts gegen Geld mit schmierigen Komplimenten und schmuddeligem Sex zu Diensten ist. Dann taucht in einer der schäbigen Etablissements eine sehr viel jüngere Frau auf, die er auch erstmal routinemäßig anbaggert - bis sich herausstellt, dass sie seine achtzehnjährige Tochte ist, um die er sich nie gekümmert hat, und die jetzt Geld von ihm fordert.
Die Einsamen und Hässlichen am Rande des Lebens
Ulrich Seidl ist für die ungeschminkte und dadurch oft auch sehr schmerzhafte Wahrhaftigkeit bekannt, mit der er sich den Einsamen und Hässlichen am Rande der Gesellschaft widmet. Hier aber entwickelt der Schauplatz, ein ausgestorbener Sommerurlaubsort in dunstig, klammen winterlichen Stimmungen, eine ganz besondere, eisig-melancholische Schönheit, die Richie Bravo im langen Robbenfellmantel und einsamer Geschäftigkeit durchmisst.
Zugespitzt wird die Stimmung durch eine Rahmenhandlung im Altersheim, in dem Richies dementer Vater lebt, berührend und zerbrechlich verkörpert von dem großen Theatermime Thomas Holtzmann in seiner letzten Rolle. Alt werden, das spürt man sehr eindringlich in diesem für Ulrich Seidls Verhältnisse ungewohnt melancholischen Film, ist nichts für Feiglinge.
Anke Sterneborg, rbbKultur