Drama | Berlinale Wettbewerb - "Un año, una noche" ("Ein Jahr, eine Nacht")
"Un año, una noche" ist ein Film über den Anschlag auf den Pariser Konzertsaal Bataclan am 13. November 2015, bei dem 89 meist sehr junge Menschen von islamistischen Attentätern ermordet wurden.
Das schwierige und aufwühlende Thema geht der Spanier Isaki Lacuesta mit Klugheit und Raffinesse an. Die Verstörung, den Aufruhr überträgt er ganz direkt in die verwackelten, unscharfen, stürzenden Bilder, die Kamera wird mit hineingerissen ins mörderische Chaos, in eine Welt, die aus den Angeln gehoben ist.
Traumatisierte Menschen sind unzuverlässige Erzähler
Konsequent verweigert sich auch die Geschichte einer linearen Erzählung, die immer wieder von Erinnerungs-Flashs aus dem Bataclan gebrochen werden. Mit seinen widersprüchlichen Wahrnehmungen öffnet sich der Film für verschiedene Lesarten. Die Erinnerung als Raum, den man sich so möbliert, dass man darin leben kann, die traumatisierten Menschen als unzuverlässige Erzähler.
Verschiedene Formen der Traumbewältigung
Am Anfang des Films sieht man eine junge Frau und einen jungen Mann benommen durch die leeren nächtlichen Straßen von Paris laufen, eingewickelt in knisternde Goldfolien. Rund 1.500 Menschen besuchten damals das Konzert der Band Eagles of Death Metal im Bataclan. Der Film greift ein junges Paar aus der Menge heraus, die Französin Céline (Noémie Merlant aus "Portrait einer jungen Frau in Flammen") und den Spanier Ramon (Nahuel Pérez Biscayart aus "120 BPM"), die sehr unterschiedlich mit dem Trauma umgehen, dem sie ausgesetzt waren.
Während Céline verdrängt und nicht mal ihren Eltern und ihren Arbeitskollegen davon erzählt, lebt Ramon seine Verstörung sehr viel unmittelbarer aus. Sie tut so, als wäre nichts gewesen, weigert sich, ein Leben lang Opfer dieser Ereignisse zu bleiben, die sie schließlich auch überlebt hat. Er dagegen wird immer wieder von Panikattacken überwältigt, gibt seinen Job auf, sucht Hilfe bei einer Therapeutin, die ihm rät, seine Erlebnisse schriftlich aufzuzeichnen, zu sortieren.
So entsteht der Roman, den einer der Überlebenden des Attentats geschrieben hat, auf dem jetzt auch der Film basiert.
Keine Rekonstruktion der Ereignisse
Anders als Erik Poppes Film "Utøya 22. Juli" ist "Un año, una noche" keine Rekonstruktion der Ereignisse. Aber alles, was im Film gezeigt wird, basiert auf Augenzeugenberichten, viele Überlebende waren an der Entstehung des Films beteiligt. Wie schon im Titel angedeutet, geht es um die Nacht, in der es passiert ist und darum, was im Jahr danach, in der Erinnerung und der Verdrängung daraus geworden ist.
Anke Sterneborg, rbbKultur