Drama | Berlinale Wettbewerb - "Un été comme ça" ("That Kind of Summer")
Der Frankokanadier Denis Côté ist schon zum siebten Mal Gast der Berlinale. Im letzten Jahr war er mit "Hygiène Sociale" in der Sektion Encounters vertreten und konnte den Encounters-Award mitnehmen. "Un été comme ça" heißt sein neuestes Werk, "Ein Sommer wie dieser".
Das Setting ist eine Art Workshop für drei hypersexuelle - also sexsüchtige - junge Frauen, die 26 Tage in einer Villa auf dem Land verbringen. Begleitet und befragt werden sie dort von einer deutschen Sexualwissenschaftlerin (Anne Ratte Polle) und einem männlichen Beschützer (Samir Guesmi).
Worte statt Taten, Experiment statt Therapie
Eine Art Versuchsanordnung, die ausdrücklich nicht auf ergebnisorientierte Therapie abzielt. Um Provokationen oder konkrete Pornografie geht es Côté nicht. Mit Ausnahme kleinerer Masturbationsszenen und eines Sadomaso-Fesselakts werden die sexuellen Phantasien und Begierden, die das Leben dieser Frauen dominieren - beispielsweise Sex mit 15 Männern gleichzeitig - nicht im Bild, sondern in sachlichen Beschreibungen verhandelt.
Das heißt allerdings auch, dass der Film ein 137 Minuten langes Experiment ist, das auf der Stelle tritt, ein Laborversuch mit offenem Ende. Wenn die von Anne Ratte Polle gespielte Sexologin Octavia am Ende konstatiert, man habe viel erreicht, bleibt das eine bloße Behauptung.

Vorlieben und Obsessionen der Frauen werden vorurteilsfrei ausgelotet
Ein männlicher Regisseur macht einen Film über junge Frauen mit extremen sexuellen Wünschen und Fantasien: Honi soit qui mal y pense …
Entsprechende Fragen musste sich Denis Côté gestern bei der Pressekonferenz natürlich schon gefallen lassen: Für ihn sei das gar kein Film über Frauen, sondern ein Film über schöne, weibliche Persönlichkeiten, hinter den Kategorien Mann oder Frau zähle für ihn nur der Mensch.
Entscheidend ist, dass die drei Schauspielerinnen Laure Giappiconi, Aude Mathieu und die schon zum dritten Mal mit Côté zusammenarbeitende Larissa Corriveau ihrem Regisseur vertraut haben und in alle Phasen der Drehbuchentwicklung involviert waren. Gemeinsam loten sie die Vorlieben und Obsessionen der Frauen vorurteilsfrei aus.
Die nicht sonderlich bahnbrechende Erkenntnis des Films ist, dass die Frauen mit ihrer Sucht niemandem schaden, man ihnen also schlicht einfach mehr Toleranz entgegenbringen sollte.
Anke Sterneborg, rbbKultur