Drama - "In einem Land, das es nicht mehr gibt"
Aelrun Goette hat schon eine Menge gemacht in ihrem Leben: Eine Zeitlang spielte sie in der Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" mit, als Regisseurin inszenierte sie fürs Theater, drehte Dokumentationen und Spielfilme und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. In ihrem neuen Film "In einem Land, das es nicht mehr gibt" erzählt die heute 56-Jährige von ihrem eigenen Leben - als Model für die Modezeitschrift "Sibylle".

Ost-Berlin im Sommer 1989. Weil sie George Orwells "1984" in ihrer Tasche mit sich herumträgt, bekommt die 18-jährige Suzie einen Schulverweis. Aus ist der Traum vom Leben als Studentin. Suzie landet als Arbeiterin in einer Fabrik, wo sie Tag für Tag und zunehmend widerwillig ölige Maschinen bedienen muss.
Als sie eines Tages mit der Straßenbahn zur Arbeit fährt, gerät sie vor die Kameralinse eines Fotografen: Ein Moment, der ihr Leben für immer verändern wird.
Inspiriert von wahren Begebenheiten
Die "Sibylle", das war damals DIE Modezeitschrift der DDR. Wer hier abgelichtet wurde, wessen Fotos hier veröffentlicht wurden, der bzw. die war wer. Regisseurin Aelruen Goette selbst modelte für die "Sibylle", arbeitete als "Mannequin" – bis die Mauer fiel und sie ein Studium an der Filmuniversität Potsdam aufnahm. Ihr Film "In einem Land, das es nicht mehr gibt" ist also "inspiriert von wahren Begebenheiten", wie im Vorspann zu lesen ist.
Suzie, das Alter Ego der Regisseurin, taucht ein in eine ihr fremde Welt: die Welt der Mode. Sie lernt Menschen kennen, die wissen, was sie wollen, einen Begriff von Kunst und Schönheit leben, der für Suzie bis dahin unbekannt war.

Starke Frauenfiguren
Claudia Michelsen als Chefin der "Sibylle": eine taffe und unbeirrbare Person, genauso wie Jördis Triebel, die mit großer Warmherzigkeit Suzis Vorarbeiterin gibt. Sabin Tambrea als schwuler Kollegen von Suzie, der ihr all sein Wissen weitergibt, während er selbst verzweifelt seinen Platz sucht - sie alle haben reale Vorbilder.
Es sind vor allem starke Frauenfiguren, die diesen Film bevölkern. Im Mittelpunkt aber steht Marlene Burow als Suzie. Nach einigen Serien ihre erste Hauptrolle, die die 22-jährige Berlinerin mit Verve füllt.

Es fehlt ein wirklich magischer Moment
Und so liegt es nicht an den Schauspieler:innen, dass der Funke hier nicht recht überspringen will – sie machen ihre Sache großartig. Auch die Ausstattung und die Kostüme sorgen für große und emotionale Wiedererkennungsmomente. Es liegt eher an dem Drehbuch, das aus der Feder Aelrun Goettes stammt. Die Konflikte der Figuren - Suzies Problem mit ihrem Vater zum Beispiel - werden eher behauptet, als dass sie spürbar werden, ihre Liebe zu dem Fotografen ist plakativ inszeniert, sein Abgang in den Westen reißt keine Lücke.
Was diesem Film fehlt, ist ein wirklich magischer Moment - was fehlt, ist Poesie. Die findet sich allein in diesem Gedicht von Thomas Brasch, das während Suzie die richtige Haltung übt, aus einem Buch fällt:
Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne, will ich nicht mehr sehen aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin
Christine Deggau, rbbKultur