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Berlinale Wettbewerb - "Music"

Bewertung:

Eine moderne Adaption des Ödipus, inszeniert mit jungen Schauspielern in Griechenland und Berlin und untermalt mit Musik. Das klingt nach einem interessanten Projekt. Doch wirklich etwas Neues kann Angela Schanelec dem Mythos nicht abgewinnen - und auf Dauer wird ihr Film regelrecht ärgerlich ...

Ein Gewitter in den Bergen, irgendwo im Norden des Peloponnes. Später sieht man einen Krankenwagen, der sich mühsam einen Berghang hinaufquält und einen Säugling, der aus einem Versteck gezogen wird. Währenddessen wird in der Nähe ein ohnmächtiger Mann von Sanitätern versorgt.

Ödipus heißt Ion

Ödipus – denn niemand anderes ist dieser Säugling - heißt in diesem Film Ion (Aliocha Schneider). Er wächst bei Pflegeeltern in Griechenland auf und taucht das nächste Mal als junger Mann Anfang 20 auf. Da geht er mit ein paar Freunden baden und erschlägt anschließend im Streit einen Mann - seinen Vater, wie sich später herausstellen soll. Doch lediglich Ions verwundete Füße (Ödipus bedeutet auf Deutsch soviel wie "Schwellfuß") und die Tatsache, dass der Streit an einer Wegkreuzung stattfindet, dienen als Hinweis auf den antiken Mythos.

Eine Liebe im Gefängnis

Ion kommt für ein Jahr ins Gefängnis und lernt dort die Wärterin Iro (Agathe Bonitzer) kennen. Die pflegt nicht nur seine Füße und kümmert sich um seine musikalische Versorgung, sie scheint auch sonst Gefallen an dem Häftling zu finden. Als Ion entlassen wird, werden die beiden ein Paar.

Weitere sieben Jahre vergehen, bis Iro feststellt, dass Ion ihr verloren geglaubter Sohn ist und dass dieser ihren Ex-Mann auf dem Gewissen hat. Iro springt von einer Klippe, Ion hingegen – sticht sich nicht die Augen aus, sondern geht nach Berlin und beginnt eine Karriere als Sänger.

Elliptische Erzählweise

Angela Schanelec liebt eine elliptische Erzählweise. Die ist über die Jahre zu ihrem Markenzeichen geworden und hat ihr vor vier Jahren auf der Berlinale schon mal den Silbernen Bären eingebracht ("Du warst zuhause, aber", 2019). Vieles bleibt bei ihr ungesagt und zwischen zwei Szenen können ein paar Jahre vergehen, ohne dass es einen dramaturgischen Hinweis für den Zuschauer gibt.

Auf Dauer anstrengend

Das kann mal ganz unterhaltsam sein, auf Dauer aber ist es einfach nur anstrengend. Warum ist Ions Mutter auf einmal jünger als er selbst? Warum erfährt sie erst nach vielen Jahren (am Telefon) von dem Totschlag, den er begangen hat, obwohl sie ihn doch im Gefängnis kennengelernt hat? Und warum geht Ion nach Iros Tod nach Berlin, um dort eine Karriere als Sänger zu beginnen - im Kreise von völlig neuen, namenlosen Protagonisten?

Viele Fragen, keine Antworten

Fragen über Fragen, doch Antworten gibt es in "Music" keine. In der Pressekonferenz nach dem Film betont die Regisseurin lediglich, dass es ihr wichtig war, frei zu sein und dass sie das Drehbuch auch während des Drehs mehrfach umgeschrieben habe.

Auch die Verwendung der Musik bleibt rätselhaft. Denn die ist zwar sehr schön - unter anderem Bach, Monteverdi, und Pergolesi darf Ion/Ödipus singen. Was das jedoch wiederum mit dem griechischen Mythos zu tun haben soll, bleibt unklar.

Enigmatisch, elliptisch oder intuitiv – all diese Vokabeln sind in der Vergangenheit bereits verwendet worden, um die Filmkunst von Angela Schanelec zu beschreiben. Spätestens seit
"Music" sollte noch eine weitere dazukommen: ärgerlich.

Carsten Beyer, rbbKultur

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