Französischer Dokumentarfilm - "Sur l’Adamant" ("On the Adamant")
Auf der "Adamant", einer schwimmenden Tagesklinik mitten in Paris, werden Menschen mit psychischen Problemen betreut. Hier können sie malen, singen oder einfach nur einen Kaffee trinken. Der Film des französischen Dokumentaristen Nicols Philibert nimmt sich viel Zeit, das Schiff und seine Bewohner vorzustellen und ermöglicht Einblicke in das Leben von Menschen, die normalerweise eher am Rande stehen.
Seit 2010 gibt es die "Adamant", eine schwimmende Tagesklinik für Psychiatrie-Patienten in Paris. Ein altes Frachtschiff, fest vertäut am Ufer der Seine mitten in der französischen Hauptstadt, am Fuße der Pont Charles-de-Gaulle. Menschen aus den ersten vier Arrondissements können hierherkommen und ihren Tag in der Obhut von ausgebildetem medizinischen Fachpersonal verbringen.
Alle Menschen sind freiwillig hier
Das Besondere an der "Adamant" ist, dass alle Menschen freiwillig hier sind und dass alle gleich behandelt werden. Psychisch Kranke sind hier keine Patienten oder gar Insassen, sondern absolut gleichberechtigt. Jeden Morgen wird in versammelter Runde abgestimmt, was an diesem Tag passieren soll: Malerei, Musik, gemeinsames Kochen oder ein Film-Club – das alles steht zur Auswahl. Dazu gibt es ein gemeinschaftlich betriebenes Café und die Gelegenheit, sich einfach mal auszusprechen.
Man darf sich nicht überwältigen lassen
"L'adamant" heißt auf Deutsch so viel wie der "Unnachgiebige" – und das ist auch die zentrale Überlegung dieser Psychiatrie: Die Menschen sollen sich nicht von ihrer Krankheit überwältigen lassen. Sie sollen nicht klein beigeben oder verzweifeln, sondern jeden Tag versuchen, das Beste aus ihrem Leben zu machen.
Menschen mit schwierigen Biografien sind da dabei, so wie François, der die meiste Zeit seines Lebens in geschlossenen Anstalten verbracht hat und ohne Medikamente "so verrückt ist wie Jesus bei den Vögelchen". Oder Jeanette, die ihren Sohn mit fünf Jahren in eine Pflegefamilie abgeben musste und ihn seitdem nur noch einmal im Monat unter Aufsicht treffen darf.
Begleitende Beobachtung
Nicolas Philibert lässt einfach nur seine Kamera laufen und nimmt sich dabei die Zeit, seine Protagonisten ausreden zu lassen. Sie dürfen auch mal nachdenken, ohne dass die Kamera gleich weggeht. Dieses begleitende Beobachten sorgt zwar mitunter für Längen, ist aber in einem Film über psychisch kranke Menschen auch sehr wohltuend.
Viele der Menschen auf der "Adamant" sind es gar nicht mehr gewöhnt, dass ihnen jemand zuhört. Wenn man es dann doch tut, erfährt man Erstaunliches. So wie die Geschichte von Frederic, der mit Jackett und Seidenschal aussieht wie ein Dandy und stundenlang über Wim Wenders, Vincent van Gogh und Jim Morrison dozieren kann.

Manchmal fehlt die kritische Distanz
"Sur l'Adamant" ist eine gelungene Dokumentation über ein wichtiges Thema, auch wenn Regisseur Philibert manchmal die kritische Distanz vermissen lässt. Dass es auch auf der "Adamant" nicht ganz ohne Konflikte und Hierarchien abgeht, wird erst in der letzten Szene seines Films klar. Da schlägt eine langjährige Patientin einen Tanz-Workshop vor, den sie selbst leiten will. "Wir werden uns das überlegen" sagt einer der Pfleger: "Aber das heißt nicht, dass der Workshop auch stattfinden wird."
Carsten Beyer, rbbKultur