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Berlinale Wettbewerb - "Tótem"

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Immer wieder gibt es Verbindungslinien, die sich durch das Berlinale-Programm ziehen und einzelnen Festivaltagen ein übergeordnetes Thema geben: Nach toxischen Männerbildern und Schriftstellerpaaren kommt jetzt ein Schwerpunkt mit Filmen über das komplizierte Gefüge weitläufiger Familien - so auch in "Tótem", dem zweiten Film der mexikanischen Regisseurin Lila Avilés.

Familienfeste sind im Kino sonst meist Minenfelder, doch in "Tótem", dem zweiten Film von Lila Avilés nach "La Camarista" ("Die Kammerzofe"), wird ein Stück Alltagsleben ausgebreitet: Ein Tag in einer mexikanischen Großfamilie, im weitläufigen Haus mit großem Garten, in dem ein rauschendes Fest vorbereitet und gefeiert wird. Es ist der Geburtstag von Tona, der allerdings überschattet ist von dem Wissen, dass dieser Geburtstag der letzte des noch recht jungen Mannes sein wird, dass seine siebenjährige Tochter Sol ihren Vater bald verlieren wird ...

Tótem © Limerencia
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Ein besonderer Tag im Leben einer mexikanischen Großfamilie

Mit ihren Augen wird man in das quirlige Treiben hineingeworfen, beobachtet die hektische Betriebsamkeit in Küche, Wohnzimmer und Garten. Sol schaut sich das alles an, hilft, beschäftigt sich allein und fragt vor allem immer wieder nach ihrem Vater: Wann kann sie denn endlich zu ihm?

Doch der wird abgeschirmt, von einer liebevollen Pflegekraft versorgt, massiert, gewaschen, und immer, wenn sie ihn so weit hat, runterzugehen, macht er einen Rückzieher. Das Fest überfordert ihn spürbar. Irgendwann lässt er sich dann doch drauf ein und badet in Freundschafts- und Liebesbekundungen.

Quirliges Leben und tanzender Tod

In der mexikanischen Kultur sind das quirlige Leben und der tanzende Tod untrennbar verbunden, das bekommt man gleich am Anfang des Films in einer tollen Mutter-Tochter-Szene zu spüren. Auf der Fahrt zum Haus der Großeltern albern die beiden unbeschwert-sprudelnd in einer öffentlichen Toilette herum. Wenn sie das Lied proben, das sie gemeinsam für Tona singen wollen, spürt man die innige Nähe zwischen ihnen. Bei der Weiterfahrt im Auto fordern sie sich gegenseitig heraus, die Länge eines Tunnels lang die Luft anzuhalten: wer es schafft, darf sich etwas wünschen.

"Dass mein Vater nicht sterben muss", sagt das Mädchen sachlich.

Der abrupte Stimmungswechsel nimmt einem mit minimalistischen Mitteln den Atem. Viel hat das auch mit der hinreißend natürlichen Intensität der Kinderdarstellerin Naíma Sentíes zu tun. Nur leider zerreißt es den Film danach in viele Einzelteile.

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Viele Pinselstriche ergeben ein verschwommenes Bild

Lila Avilés will das ganz normale Leben einfangen. Auf einer Pressekonferenz hat sie ihre Arbeit des Filmemachens mit dem Malen eines Bildes verglichen, in dem viele kleine Pinselstriche zusammengefügt werden und ineinanderfließen. Für den Film heißt das vor allem, dass er extrem fragmentiert ist. Die fahrige Kamera ist oft unangenehm nah an einzelnen Figuren dran, verweigert konsequent den Überblick, was möglicherweise dem Blick des Kindes entspricht, in der Form aber doch enervierend wirkt. Den Titel konnte die Regisseurin bei der Pressekonferenz selbst nicht schlüssig erklären - vage geht es um den Zusammenhang der Familie, einen Organismus, in dem alles fließt, und um ein Symbol für einen Stamm oder einen Clan, aber eher im übertragenen Sinne, ohne dass klar wird, was genau das ist.

Der Film ist für Lila Avilés eine Art Rückkehr in ihre eigene, viel zu schnell verflogene Kindheit und zugleich ein Geschenk an ihre eigene Tochter.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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