Tragikomödie - "Air - Der große Wurf"
Das Dreamteam ist zurück: In den 90er Jahren beschlossen die Freunde Ben Affleck und Matt Damon ihren stagnierenden Schauspieler-Karrieren den entscheidenden Boost zu geben. Gemeinsam verfassten sie 1997 das Drehbuch zu "Good Will Hunting". Verfilmt wurde es von Gus Van Sant mit Matt Damon in einer der beiden Hauptrollen. Das Drehbuch wurde mit dem Oscar ausgezeichnet und die beiden waren plötzlich zwei heiße Nummern in Hollywood. Fast ein Vierteljahrhundert später haben sie wieder gemeinsam ein Drehbuch geschrieben: "Air - Der große Wurf" erzählt die Geschichte des wohl berühmtesten Sportschuhs der Welt: des für Michael Jordan entwickelten "Air Jordan".

In den frühen 70er Jahren entwickelte der Trainer Bill Bowerman einen Laufschuh speziell für den Langstreckenläufer Steve Prefontaine. Als Co-Gründer der Sportschuhmarke Nike mit dem berühmten Swoosh-Logo revolutionierte er das Sportschuhgeschäft. Davon erzählte 1998 der Film "Without Limits". Jetzt gibt es einen neuen Film über ein weiteres Kapitel der Firmengeschichte.
Alles auf eine Karte
Gut zehn Jahre nach der Firmengründung sah es - mit gesunkenen Verkaufszahlen und stagnierendem Wachstum - nicht mehr so gut aus für Nike: "Die Leute wissen nicht mal, was ein Nike ist!", wissen sie in der Chefetage - wohingegen bei Converse der NBA-Allstar-Schuh für die Basketballprofiliga entsteht.

Gegen die übermächtige Konkurrenz der deutschen Adidas und der amerikanischen Converse hatte Nike damals nichts zu melden. Und der Marketing-Manager Sonny Vaccaro (Matt Damon) stand vor der schweren Aufgabe, Nike einen Platz im Basketball-Geschäft zu verschaffen und überascht seinen Boss mit einer verwegenen Idee: "Ich verwette meine Karriere auf einen Spieler: Wir machen einen maßgeschneiderten Schuh für ihn. Ich brauch' den besten Basketballschuh, den es jemals gegeben hat! Für Michael Jordan!"
Der Triumph des Underdogs
Michael Jordan war damals erst 18 Jahre alt und nach einem spektakulären Last Minute-Korb, der seinem Team den Sieg sicherte, auf dem Radar von Talent Scouts und Werbesponsoren. Sein Talent war sichtbar, und trotzdem war es eine Wildcard, auf die Vaccaro setzte: gegen die mächtige und sehr viel finanzkräftigere Konkurrenz und gegen den Willen seiner Vorgesetzten, die ihre knappen Mittel lieber auf zwei, drei Spieler verteilt hätten. Nike hatte da nicht mal einen Platz am Verhandlungstisch.
"Air – Der große Wurf" erzählt die klassische Geschichte des Underdogs, der gegen alle Wahrscheinlichkeit mit findigen Ideen und eiserner Entschlossenheit triumphiert. Und wenn sich Matt Damon als Marketingmanager und Ben Affleck als Firmengründer Phil Knight vor der Kamera kabbeln, hat man das Gefühl, dass da viel von ihrer echten Freundschafts- und Arbeitsbeziehung durchschlägt.
Ein Sportdrama, das nicht auf dem Spielfeld ausgetragen wird
Auf wunderbare Weise ist der Film ein Paradox: Ein Sportdrama über die Anfänge eines der berühmtesten Basketballspieler der Welt, den man einen ganzen Film lang nicht zu Gesicht bekommt. Ein Sportfilm, der nicht auf dem Feld und im Wettkampf spielt, sondern in Büros, Konferenzräumen und Werkstätten. Und ein Film, der spannend ist, obwohl der Ausgang der Geschichte bekannt ist: die Geburt des berühmtesten Sportschuhs der Welt, des "Air Jordan" von Nike.
Zunächst muss Vaccaro zu unorthodoxen Mitteln greifen, um überhaupt angehört zu werden. Hinter dem Rücken des Agenten geht er direkt zu Michael Jordans Eltern und weckt am Küchentisch das Interesse der Mutter, die Viola Davis mit magnetischer Präsenz Oscar-würdig verkörpert: "Ich glaube an Ihren Sohn, ich glaube, er ist die Zukunft. Seine Geschichte bringt uns dazu, fliegen zu wollen!"

Bleibt nur noch die Frage des Namens
Obwohl man als Zuschauer weiß, wie die Sache ausgegangen ist, folgt man den Ereignissen gebannt. Es liegt eine flirrende Energie in der Luft und das Zeitkolorit der 80er Jahre ist liebevoll bis in die letzte schräge Lockenperücke rekonstruiert.
Am Ende steht ein Deal, der das Sportgeschäft für immer revolutioniert: Michael Jordan, der im Film immer nur von hinten oder im Anschnitt, nie direkt zu sehen ist, wird als erster Werbeträger an den Einnahmen beteiligt: "Aber ein Schuh ist nur ein Schuh", argumentiert Vaccaro. Deloris Jordan kontert: "Bis mein Sohn ihn anzieht!"
Alles in allem ist "Air" ein wirklich großer Wurf: voll mitreißender Ideen und ansteckender Energie. Nur eine letzte Frage bleibt am Ende, gestellt von Firmenboss Phil Knight: "Hast du schon einen Namen?" "Air Jordan." "Hmmh, weiß nicht … Na, vielleicht gewöhn' ich mich noch dran…"
Da ist sie wieder, die besondere, selbstironisch entspannte Chemie zwischen Ben Affleck und Matt Damon, für die es sich unbedingt lohnt, die englische Originalfassung zu sehen.
Anke Sterneborg, rbbKultur