Die Nachbarn von oben © Wild Bunch Germany 2023
Wild Bunch Germany 2023
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Komödie - "Die Nachbarn von oben"

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"Die Nachbarn von oben" haben wilden Sex, den die Nachbarn von unten sich immer anhören müssen. Um das anzusprechen, laden Anna und Thomas die Nachbarn von oben zu sich ein. Doch die Gäste haben ein ungewöhnliches Angebot für das ältere Paar. "Die Nachbarn von oben" war in der Schweiz ein Kinoerfolg. Jetzt kommt der hochkarätig besetzte Film in die deutschen Kinos.

Das gibt es jetzt immer häufiger: Irgendwo in Europa entsteht ein erfolgreicher Film, und dann folgen auf das italienische Original noch eine französische, eine spanische, eine deutsche Variation, in der Regeln werden universell menschliche Stoffe verhandelt, so wie in "Das perfekte Geheimnis", über eine Dinner-Gesellschaft in der alles Private, das über die Handys läuft, in der Mitte des Esstisches öffentlich gemacht wird, mit unabsehbaren Folgen. In "Die Nachbarn von oben" verfilmt die Schweizerin Sabine Boss, einen Stoff, der unter dem Titel „Sentimental“ in Spanien ein nationaler Erfolg war.

Die Nachbarn von oben © Wild Bunch Germany 2023
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Eine Beziehung auf dem Seziertisch der Gefühle

Tom kommt schlecht gelaunt nach Hause, wo seine Frau Anna beschwingt durch die Küche tanzt und Häppchen vorbereitet, für die titelgebenden Nachbarn von oben. Tom beschwert sich, dass man ihn doch vorher mal fragen könnte, Anna kontert: "Nein! Und weißt du warum? Weil du dann nein sagst. Wie immer." Schon diese erste Unterhaltung, das routinierte Ping Pong von Vorwurf und Gegenvorwurf legt die ganze Misere einer rund 15 Jahre währenden Beziehung frei, wie auf dem Seziertisch der Gefühle. Es ist hinreißend, wie pointiert und zugleich alltäglich hier aus nichtigen Konversationen und banalen Bemerkungen, aus kleinen Gesten und flüchtigen Blicken eine dahinmickernde Ehe destilliert wird. Allein die Art wie Tom seine Frau gebetsmühlenartig korrigiert, wenn sie Fernglas sagt und er richtigstellt: "Teleskop."

Die Nachbarn von oben © Wild Bunch Germany 2023
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Neid, aber durchaus auch Inspiration

Verschärft wird die ohnehin angespannte Situation mit hohem Frustrationslevel auf beiden Seiten durch die deutlich jüngeren Nachbarn, deren offensichtlich frische und erotisch aufgeladene Liebe für Anna eine Inspiration und für Tom ein Dorn im Auge ist. Er will die unliebsame Gelegenheit ergreifen, um sich über die lautstarken Schlafzimmergeräusche des jungen Paares zu beschweren. Anna hingegen weiß, dass sein Ärger mehr mit der Situation der eigenen Beziehung zu tun als mit den anderen: "Ich hab' einen Verdacht: Wir sind neidisch. Denn jedes Mal, wenn wir sie hören, wenn sie kommt und ich sie stöhnen höre, dann ist es genau das, was ich bin: Neidisch. Darum will ich nichts sagen. Oder nein: Ich freu mich für sie!" Tom murrt, "Perfekt, wir konstatieren also, dass wir neidisch sind, auf unsere Neandertaler-Nachbarn."

Eine Bodenvase als großzügiger Aschenbecher

Erstaunlich, wie viel Tiefe derart einfache Sätze transportieren können, wie viele Verletzungen, Vernachlässigungen, Missachtungen darin mitschwingen, welche Beziehungsabgründe sie eröffnen. Sehr viel hat das mit den so pointierten wie wahrhaftigen Dialogen zu tun. Ebenso viel hat es mit der unangestrengten Wahrhaftigkeit zu tun, mit der die Schauspieler diese Dialoge in vielen Nuancen in gelebte Gefühle verwandeln, in einem Wohnungs-Kammerspiel, das nie theatralisch steif wirkt, sondern immer luftig im weiträumigen Cinemascope. Um weiteren Ärger zu vermeiden, willigt Anna resigniert ein, den Besuch abzusagen, doch da stehen die Nachbarn von oben auch schon fröhlich vor der Tür, mit zwei Flaschen Wein unterm Arm und einem selbstzubereiteten Apero-Snack, auf dessen aphrodisische Wirkung sie alsbald hinweisen. Der Sex-Appeal den die Nachbarn versprühen wirkt auf Anna deutlich inspirierender als auf ihren Mann, der konsterniert feststellt, dass nur er nicht in der Wohnung rauchen darf, und beleidigt den Teppich als Aschenbecher offeriert: „Alles easy“ Nachdem eine riesige Bodenvase als Aschenbecher gereicht wurde, erzählen die beiden jungen Besucher ihren peinlich berührten, aber auch neugierigen Nachbarn von unten mit entwaffnender Offenheit von ihrem freizügigen Sexleben. „Wir tauschen die Partner, aber wir sind nie mehr als acht.“ Doch Sami korrigiert: "Einmal sind wir zehn gewesen!". Peinlich berührt, aber zugleich durchaus interessiert, überspielt Anna ihre Überraschung: „Ach so ja, klar, am Geburtstag hab ich auch gerne viele Leute um mich …"

Die Nachbarn von oben © Wild Bunch Germany 2023
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Dezent komisches Paartherapie-Theater

Nur allzu leicht könnte Anna zur unattraktiv frustrierten Nervensäge werden, doch Ursina Lardi hält sie wunderbar in der Schwebe, zwischen berechtigter Enttäuschung und aufkeimender Hoffnung, zwischen unterdrückter Lebenslust und aufmüpfigen Sticheleien. Dass Sami Feuerwehrmann ist und Lisa Therapeutin führt an diesem beschwingt volatilen Abend zu allerlei mehr oder weniger übergriffigen, mehr oder weniger heilsamen Rettungsversuchen. Dank fein austarierter Dialoge und bezaubernd nuancierter Spiellust wird die legere Einladung zum Apero unter Nachbarn zum vergnüglich bösen, dezent komischen, brillant getimten und immer wahrhaftigen Paartherapietheater. Auch, weil jeder diese oder jene Szene aus dem eigenen Beziehungsleben nur allzu gut kennt.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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