Living - Einmal wirklich leben © Sony Pictures Entertainment Deutschland
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Drama - "Living - Einmal wirklich leben"

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1952 hat der japanische Regisseur Akira Kurosawa in "Ikiru – Einmal wirklich leben" die Geschichte eines einsamen Witwers erzählt, der die Jahre als unbedeutendes Rädchen in der Bürokratie verschwendet. Wachgerüttelt von einer tödlichen Krebsdiagnose beschließt er, die noch verbleibenden Monate zu nutzen, um seinem Leben einen Sinn zu verleihen, etwas zurückzulassen. Jetzt hat der Südafrikaner Oliver Hermanus den Klassiker mit Bill Nighy in der Hauptrolle neu verfilmt, von Tokio nach London verlegt und statt in Schwarzweiß in Farbe gedreht.

Aus Kanji Watanabe wird im britischen Remake Mr. Williams, wie jener steht auch er kurz vor der Rente nach einem ereignislosen Arbeitsleben in der städtischen Beschwerdestelle, wo die Vorgänge nur von einem Stapel auf den nächsten, von einer Abteilung in die nächste verschoben werden - ohne, dass wirklich etwas bewegt wird.

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Existenzialistischer Weckruf

Die ganze Abteilung, vier Männer und eine Frau, sitzen auf engem Raum um einen Tisch, umgeben sind sie auf allen Seiten von hohen Aktenbergen, geredet wird kaum, passieren tut wenig. Bis Mr. Williams eines Tages nicht zur Arbeit erscheint.

"Sollten wir vielleicht die Polizei alarmieren?", fragt ein jüngerer Kollege in die Runde, so außergewöhnlich ist das Fernbleiben des Abteilungsleiters. Der wiederum hat beim morgendlichen Arztbesuch eine niederschmetternde Diagnose erhalten: "Im Grunde ist es banal, aber die Ärzte geben mir noch sechs Monate, acht oder neun mit viel Glück“, erzählt er einem wildfremden Menschen im Pub.

"Das klingt nach nicht viel", erwidert der. "Aber es ist genug Zeit, um die Dinge zu ordnen und ein bisschen zu leben, wenn Sie das wollen."

Langsames Erwachen aus der Lebensstarre

Im Wesentlichen ist es die Idee des Existenzialismus: Das Wissen um das nahende Ende schafft ein Bewusstsein für die Kostbarkeit der Gegenwart. So wird Mr. Williams aus seinem anspruchslos monotonen Trott gerissen. "Wie passiert so was?", fragt sich Mr. Williams. "Ein Wunder, dass mir nicht auffiel, was aus mir wurde."

Es ist Bill Nighy, der diesen unscheinbaren Menschen und sein langsames Erwachen aus der Lebensstarre zum Ereignis macht. Zurecht gab es für diese leise ergreifende und würdevoll zurückhaltende Darstellung eine Oscar-Nominierung. Allein die leise Wehmut in seiner brüchigen Stimme, wenn er im Pub den schottischen Folksong "The Rowan Tree" anstimmt, ist berührend.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Japan und England

"Living - Einmal wirklich leben" ist der erste Film, den der Südafrikaner Oliver Hermanus außerhalb seiner Heimat gedreht hat, in einem altmodischen Kameraformat, das die äußere und innere Enge der Londoner Nachkriegsjahre spürbar macht, die engen Grenzen, in die sich Mr. Williams lange gefügt hat.

Das Drehbuch hat der Literaturnobelpreisträger Kazuo Ishiguro geschrieben, der 1954 in Nagasaki geboren und als Fünfjähriger mit seinen Eltern nach Großbritannien kam und darum ein feines Gespür hat für die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Kulturen. Viele Jahre lang träumte er davon, Kurosawas Klassiker mit Bill Nighy in der Hauptrolle neu zu verfilmen. Als er eines Tages nach einer Party mit ihm im Taxi saß, nutzte er die Gelegenheit, dem Schauspieler von seiner Idee zu erzählen. Auch sein Drehbuch, in dem Ishiguro ganz nah an den Handlungsbögen des Originals bleibt, war für einen Oscar nominiert.

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Dem Leben einen Sinn geben

Trinken, singen und ins Kino gehen: Mr. Williams entdeckt die kleinen Freuden des Lebens für sich. Aber er möchte auch etwas hinterlassen. Als er schließlich im Pub eine der Frauen trifft, die in seiner Abteilung vorstellig waren, um eine Genehmigung für die Anlage eines Kinderspielplatzes in einer Nachkriegsbrache einzuholen, weiß er plötzlich, was zu tun ist, und setzt sich gegen alle Widerstände leidenschaftlich dafür ein. Denn es ist niemals zu spät, etwas zu bewegen.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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