Musik-Doku - "Wenzel - Glaubt nie, was ich singe"
In Kamp an der Ostsee treffen sich einmal im Jahr seine Anhänger. 1.000 Menschen reisen dann an, um Wenzel zuzuhören. Das Festival ist Kult so wie Hans-Eckhardt Wenzel auch. Er ist der einer der bedeutendsten Liedermacher aus der DDR, einer, der genau weiß, was er will. Der Filmemacher Lew Hohmann hat Wenzel begleitet: zu Konzerten, bei sich Zuhause und durch die Corona-Zeit.
Genannt wird er von allen einfach nur Wenzel. Hans-Eckhardt Wenzel. Wie er da auf der Bühne steht und singt, kann man sich ihm nicht entziehen. Ein großer Mann mit wildem blondem Haarschopf und rauchiger Stimme. Ein Poet.

Ein Star - zumindest im Osten Deutschlands
Geboren im Jahr 1955 in der Nähe von Wittenberge. Einer, der immer schon gesungen hat, mit seinen Liedern die Welt verändern wollte. Oder zumindest den Osten Deutschlands, da ist er bis heute ein Star. Im Westen ist er eher unbekannt. Darum wird sein Name hier noch immer mit dem Zusatz "Ostdeutscher" versehen. Was ihn schmerzt. Doch das erzählt er nur nebenbei, wie seine eigene Befindlichkeit überhaupt immer dem Großen untergeordnet zu sein scheint. Dafür lieben ihn seine Fans und seine Freunde – darunter Konstantin Wecker, die kürzlich verstorbene Antje Vollmer oder auch Regisseur Andreas Dresen. Der sagt über seinen Freund, den er auch schon bei Konzerten begleitete: "Er steht einfach auf der Bühne, ich sag’s mal ein bisschen derb: ein Typ mit Eiern, und das macht Spaß, dem zuzusehen, verdammt noch mal."
Pazifist und Provokateur
"Wenzel - Glaubt nie, was ich singe" ist eine Reise durch das Leben des Musikers, der bei seiner Großmutter, einer Sudetendeutschen, aufwuchs, der große Bruder von vier Schwestern. Heute selbst Vater von vier Kindern. Immer schon musste er schreiben und singen, um überleben zu können: in einem System, in dem er sich nicht wiederfand. Ein unverbesserlicher Pazifist. Ein unerschrockener Provokateur. In den 70er Jahren gründet er die Band "Karls Enkel", deren Erfolg die Stasi misstrauisch beäugt. Man kommt auf die glorreiche Idee, die Musiker bespitzeln zu lassen: Wenzel wird als IM angeworben, "da hat man den Bock zum Gärtner gemacht".
Es sind Anekdoten, die sich lustig erzählen, die aber ihre Spuren hinterlassen. Ans Ausreisen denkt Wenzel erst, als er schwer krank wird. Die Begegnung mit der Tochter des legendären Country-Musikers Woody Guthrie holt ihn aus seinem dunklen Loch. Er reist nach Manhattan, tritt in Nashville auf. Seine Rettung.
Der Film lebt durch seinen Protagonisten
Die Dokumentation von Lew Hohmann ist leider wenig filmisch, wirkt eher wie fürs Fernsehen gemacht, überflüssig auch die Erzählstimme. Der Film lebt durch seinen immer authentischen und uneitlen Protagonisten: Wenzel, der während Corona plötzlich keine Bühne mehr hatte, kein Publikum. Sich aufs Land zurückzieht. Eine harte Zeit. Doch da sind seine Freunde, die an ihn glauben. Wie der Schriftsteller Christoph Hein, der an Wenzel schätzt, "dass er so unverschämt gerne lebt.“
Wenzel ist einer der wichtigsten Liedermacher im Osten Deutschlands. Wenzel selbst hat wenig dafür getan, auch im Westen bekannt zu werden. Viele Westdeutsche werden ihn durch diesen Film vielleicht erst entdecken. Was schade ist. Aber besser spät als nie.
Christine Deggau, rbbKultur