Komödie von Wes Anderson - "Asteroid City"
In Filmen wie "Die Royal Tenenbaums", "Darjeeling Limited" oder "Grand Budapest Hotel" erzählte Wes Anderson immer wieder von den Irrungen und Wirrungen des modernen, dysfunktionalen Familienlebens. Für jeden seiner Filme konstruierte er eine in sich geschlossene Welt: mal eine New Yorker Stadtvilla, mal ein Zug auf der Fahrt durch Indien, mal ein altes Hotel in der fiktiven, osteuropäischen Republik Zubrowka. Der Schauplatz seines neuesten Films "Asteroid City" ist ein kleines Städtchen mitten in der Wüste.
Weit entfernt von den amerikanischen Metropolen, mitten in der Wüste gibt es seit den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts in Amerika mysteriöse Sperrgebiete, so wie die Area 51 in Nevada oder Roswell in New Mexico. Um sie ranken sich wilde Spekulationen und Verschwörungstheorien, irgendwo zwischen militärischen Experimenten, Atomwaffentests und UFO-Sichtungen – also auf einem schmalen Grat zwischen Spionage und Spinnerei.
Und das ist ziemlich genau das Terrain, das Wes Anderson mit seinen Filmen bearbeitet. Die titelgebende "Asteroid City" ist ein fiktives Wüstenörtchen, in dem es einen Diner, ein Motel, eine Autowerkstatt und ein Observatorium gibt. Benannt ist es nach einem Asteroiden, der am 23. September 3007 vor Christus hier aus dem Himmel gefallen ist. Jedes Jahr wird an diesem Tag der Asteroidentag gefeiert.
Illustre Gesellschaft im Wüstenkaff
Im Jahr 1955 reisen an diesem Tag einige hochbegabte Schüler mit ihren Eltern in das gottverlassene Wüstenkaff, um am Junior-Stargazer-Kongress teilzunehmen, auf dem allerlei irrwitzige Erfindungen prämiert werden. So wie Woodrow, der mit seinem Vater Auggie Steenbeck, einem jüngst verwitweten Kriegsreporter (Jason Schwartzman) angereist ist. Seine drei kleinen Schwestern Cassiopeia, Andromeda und Cassandra sollten eigentlich zu ihrem Großvater (Tom Hanks) gebracht werden. Da das Auto in der Werkstatt explodiert ist, soll der seine Enkelinnen nun abholen.
Ein wenig erinnert die Familie Steenbeck an andere dysfunktionale Familien im Werk von Anderson, die Royal Tenenbaums beispielsweise. Allein schon die leicht überspannten, bizarren Namen machen den Film erkennbar Wes-Anderson-Material. Neben Wissenschaftlern, wie der von Tilda Swinton verkörperten Dr. Hickenlooper und Militärs wie dem von Jeffrey Wright gespielten General Grif Gibson findet sich ein illustres Völkchen zu dem Ereignis ein. Darunter auch der Hollywoodstar Midge Campbell (Scarlett Johansson), die es schnell mit der üblichen Mischung aus Bewunderung und Übergriffigkeit zu tun bekommt.
Lose aneinander gereihte Vignetten
Wie alle Filme von Wes Anderson, setzt sich auch dieser aus vielen kleinen, lose aneinandergereihten Vignetten zusammen. Vorgetragen werden sie im Wes-Anderson-typischen lakonisch distanzierten Stil von einer aberwitzigen Fülle prominenter Darsteller in zum Teil nur kleinen Rollen. Viele davon sind längst Teil der großen Wes- Anderson-Filmfamilie, so wie Tilda Swinton, Willem Dafoe, Adrien Brody, Edward Norton. Andere sind zum ersten Mal dabei, wie Tom Hanks, Matt Dillon, Rupert Friend, Margot Robbie oder Scarlett Johansson.
Aus der Spannung zwischen der Absurdität der Ereignisse, den ungerührten Reaktionen und dem exakten Timing entsteht eine besondere Komik, wie in dem unbeholfenen Flirt zwischen dem Star und dem Witwer: "Ich hab eine Nacktszene, wollen Sie sie sehen?", fragt Midge Campbell unverblümt, als ginge es darum, eine Briefmarkensammlung zu zeigen.
Hochkarätiges Schauspieler-Ensemble
Wie funkelnde Diamanten sind die vielen berühmten Schauspieler*innen in die liebevoll und detailreich ausgestatteten Kulissen gestreut, die mit ihren pastellbunten Farben die leicht verblichene Farbigkeit von Fünfzigerjahre-Filmen nachahmen.
Aufruhr kommt ins bunte Treiben, als sich über der versammelten Gemeinde eine grüne fliegende Untertasse senkt, der marionettengleich ein Alien mit langen dünnen Armen und Beinen entsteigt. Der sammelt kurzerhand den vor langer Zeit aus dem Himmel gefallenen Asteroiden ein und verschwindet wieder:
"Mir gefällt nicht, wie der Kerl uns angesehen hat, der Alien", sinniert Auggie, "als seien wir verloren". – "Vielleicht sind wir das", bemerkt Midge. Nach der Alien-Visite wird Asteroid City jedenfalls wie einst Roswell zur militärischen Sperrzone, in der alle Besucher auf unbestimmte Zeit feststecken.
Auch wenn sich der spleenige Stil von Wes Anderson mit den Jahren ein wenig abnutzt, macht sein liebevoll zusammengetüfteltes und exakt getimtes Puppenhaus-Kino nach wie genauso viel Spaß wie offensichtlich auch seine Entstehung fürs ganze Filmteam.
Anke Sterneborg, rbbKultur