Im Herzen jung © Alamode Film
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Drama - "Im Herzen jung"

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Ältere Männer mit sehr jungen Frauen, das entspricht den gängigen Klischees. Doch in den letzten Jahren passierte es immer häufiger auch umgekehrt: Ganz real, so wie beim französischen Präsidenten Macron, der öffentlichkeitswirksam mit einer 20 Jahre älteren Frau verheiratet ist, und fiktiv in den Geschichten des Kinos - beispielsweise in "Meine Stunden mit Leo": In dem Film erlebt Emma Thompson ihre späte sexuelle Befreiung mit einem sehr viel jüngeren Mann. "Im Herzen jung" darf nun auch die 71-jährige Fanny Ardant im gleichnamigen Spielfilm von Carine Tardieu sein.

Es beginnt recht unromantisch, vor dem Kaffeeautomaten im nüchternen Aufenthaltsraum eines Krankenhauses, wo die Architektin Shauna das Sterben ihrer besten Freundin Mathilde begleitet.

Mehr als professionelle Fürsorge eines Arztes

Der junge Arzt Pierre (Melvil Poupaud) rät dringend von der Suppe aus dem Automaten ab, die sei widerlich: "Ich weiß nicht wieso, diese widerlichen Suppen aus Kaffeeautomaten habe ich schon immer gern getrunken", sagt sie: Er erwidert. "Das liegt vielleicht daran, dass Sie die nur dann trinken, wenn sie Sie wirklich brauchen. Ihr Gehirn assoziiert mit der Suppe Trost."

Kaum wahrnehmbar schwingt schon in dieser ersten Begegnung ein bisschen mehr mit als die professionelle Fürsorge und Zugewandtheit eines jungen Arztes.

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Das zarte Werden einer sehr erwachsenen Liebe

15 Jahre später bittet Pierres bester Freund und Kollege Georges ihn darum, ihn bei einem Abstecher nach Irland zu begleiten, ins Haus seiner verstorbenen Mutter, in das sich Shauna oft zurückzieht, um dem Pariser Trubel zu entkommen. Überrascht erkennt Pierre die Freundin seiner ehemaligen Patientin. Die drei erzählen, trinken, albern in der heimelig vollgestellten Hütte, und als Georges ins Pub geht, spazieren Shauna und Pierre am Meer entlang durch die Nacht.

Ganz behutsam fängt Carine Tardieu das zarte Werden einer sehr erwachsenen, bedachten Liebe ein: Die Aufmerksamkeit in den Blicken, den Schmelz in den Stimmen, die Irritationen über die unerwarteten Gefühle, die selbst auferlegte Zurückhaltung, denn Pierre ist verheiratet und Shauna hatte mit der Liebe eigentlich schon abgeschlossen.

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Zwischen Zurückhaltung und Hingabe

Als Pierre spät nachts noch einmal an Shaunas Tür klopft, um nach einer Zahnbürste zu fragen, unterdrücken beide das Knistern. Es ist berückend schön, Fanny Ardant und Melvil Poupaud bei diesem feinen Ringen zwischen Vernunft und Leidenschaft, zwischen Zurückhaltung und Hingabe zu beobachten, und dabei, wie die Gefühle sich zunehmend ihren Raum erobern.

Spontan ruft Pierre Shauna an, als er nach einer Tagung schon wieder am Pariser Bahnhof vor dem Zug nach Lyon steht, sie vereinbaren ein erstes, kurzes aber aufwühlendes Rendezvous: "Ich werde bald 71 Jahre alt", gibt Shauna zu Bedenken. Doch Pierre lässt sich davon nicht beeindrucken: "Lädst Du mich zu Deinem Geburtstag ein?", fragt er sanft.

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Eine verbotene Liebe, ohne jede Anzüglichkeit erzählt

Das Filmprojekt hat Carine Tardieu von der isländisch französischen Filmemacherin Sólveig Anspach nach deren Tod übernommen. Die wiederum hatte das Drehbuch, das um große existenzielle Themen wie Liebe, Krankheit und Tod kreist, um gesellschaftlichen Druck und die emanzipatorische Befreiung davon, aus den Erlebnissen ihrer Mutter destilliert. Das große Kunststück von Carine Tardieu und ihrer Kamerafrau Elin Kirschfink ist die luftige Leichtigkeit und Sinnlichkeit, mit der sie diese schweren Themen sanft einfangen, in wunderschönen Bildern der irischen Küste, vor allem aber auch in den Gesichtslandschaften eines Schauspielerensembles, das bis in kleine Nebenrollen erlesen zusammengestellt ist: Als Pierre verströmt Melvil Poupaud eine Ruhe und Fürsorglichkeit, die ihn nicht nur als sanften Liebhaber, sondern auch als Arzt besonders macht und der verbotenen Liebe jede Anzüglichkeit nimmt.

Dazu kommt eine profunde Integrität, auch seiner Frau gegenüber, die von Cécile de France gespielt wird. Die will lieber gar nichts davon wissen: "Du bist der Mann meines Lebens und wir werden zusammen alt werden", flüstert sie ihm zu.

Gesellschaftlicher Druck und emanzipatorische Befreiung

Die ungleiche Liebesgeschichte muss sich gegen gesellschaftlichen Druck von außen behaupten, denn alle haben etwas dazu zu sagen: Die Ehefrau, die instinktiv spürt, dass diese Liebe zu einer so viel älteren Frau keine bedeutungslose Affäre sein kann, der beste Freund Georges, für den Shauna wie eine zweite Mutter ist, und vor allem Shauna selber zweifelt: "Wirf Dein Leben nicht weg für eine Frau, die keine Zukunft hat (…) Das ergibt keinen Sinn, Pierre."

Umso schöner ist es, dass die Regisseurin und ihre beiden Hauptdarsteller:innen diese Liebe mit größter Selbstverständlichkeit und Zuversicht verteidigen.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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