L’immensità - Meine fantastische Mutter © Prokino Filmverleih
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Drama - "L’immensità - Meine fantastische Mutter"

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Jedes Jahr gibt es mindestens einen Film, der die italienische Familie und die dazugehörige mediterrane Sommerferienstimmung feiert. In diesem Sommer ist das "L’immensità - Meine fantastische Mutter" - ein Ausflug ins Rom der 70er Jahre. Nach elf Jahren Schaffenspause ist es der fünfte und bisher persönlichste Film von Emanuele Crialese, denn hier spielt er mit den Zutaten seiner eigenen Kindheit in Form einer Hommage an seine Mutter.

Rom in den 70er Jahren: Es ist eine Zeit des Umbruchs, die Errungenschaften der 68er Revolution nagen am patriarchalisch geprägten Weltbild der Italiener und die gutsituierte Familie Borghetti - Vater Felice, die spanische Mutter Clara und ihre drei Kinder - sind gerade in ein geräumiges Appartement in einem der neu gebauten Wohnkomplexe am Rande der Stadt gezogen. Ausgelassen wirbelt Clara tanzend durch die Küche.

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Lebensfreude und Melancholie

Doch es liegt auch Melancholie in der Luft, die Kinder merken, dass es in der Ehe ihrer Eltern kriselt, fragen, ob Papa und Mama sich noch liebhaben. Und als Spanierin fühlt sich die von Penélope Cruz gespielte Clara in Italien ähnlich fremd wie ihre Tochter Adriana im weiblichen Körper: "Ich komme aus einer ganz anderen Galaxie", sagt Adriana zu ihrer Mutter. "Und du bist nicht in der Lage, mich hinzukriegen, Mama."

Aus Adriana wird Andrea

Auf Adrianas Betreiben durchqueren die Kinder immer wieder das undurchdringliche Schilf, das die moderne Wohnsiedlung vom provisorischen Camp der rumänischen Bauarbeiter trennt. Auf der anderen Seite des Schilfs kann Adriana sich als Junge ausgeben. Auf die Frage eines Mädchens, behauptet sie, Andrea zu heißen, was anders als hierzulande in Italien ein Männername ist. Als Andrea kann sie mit dem Mädchen aus der Siedlung anbandeln. Bei den Erwachsenen stößt Adrianas experimentelles Spiel mit den Geschlechtern auf Unbehagen, vor allem der Vater will davon nichts wissen: "Du bist nicht mal imstande, dieses Mädchen richtig zu erziehen!", wirft er seiner Frau vor.

Ein Themen-Potpourri

Eigentlich wäre dieses Ringen mit der eigenen Identität und den verständnislosen Reaktionen im Umfeld allein schon genug spannender Stoff für einen Film, doch Emanuele Crialese packt noch viel mehr hinein: die kriselnde Ehe, die brüchige Kindheit, häusliche Gewalt, den fremdgehenden Vater, den gesellschaftlichen Wandel, das Sommergefühl zwischen ausgelassener Freiheit und beklemmender Melancholie, und schließlich noch die psychische Krankheit der Mutter: "Ich fahre in eine sehr schöne Villa und dort ruhe ich mich aus", erklärt sie ihren Kindern. "Ich werde behandelt und wenn ich gesund bin, kehre ich zurück."

Vieles wird angerissen, nichts zu Ende erzählt.

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Bunt aufblühende Musicalszenen

Nicht allein aus der eigenen Kindheit schöpft Emanuele Crialese, stattdessen tupft er in vielen flüchtigen Vignetten, irgendwo zwischen Nostalgie und Melancholie, eine universelle Version einer italienischen Kindheit in den 70ern auf die Leinwand: Alle Mitglieder des Teams waren eingeladen, ihre Erinnerungen beizusteuern.

Kleine Fluchten aus den schwierigen, unsicheren Verhältnissen bietet die heile Welt italienischer Schlager, wie "Rumore" von Raffaella Carrà. Die Choreografien schwappen aus dem schwarzweißen Fernseher in die farbige Realität, reißen Clara immer wieder mit hinein in ihren schwungvollen Drive, in bunt aufblühenden Musicalszenen, die dem Film noch eine weitere Klangfarbe geben. Und Penélope Cruz trägt noch ein bisschen Pedro Almodóvar-Flair in den Film, macht damit aber auch schmerzlich klar, wie viel schwächer "L’Immensità" ist.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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