Drama - "Dalíland"
Wir alle kennen das Bild der wie Camembert zerlaufenden Uhren, kennen seinen Schriftzug, seinen dünnen, gezwirbelten Schnurrbart: kennen Salvador Dalí. Der spanische Surrealist zählt zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Der Film "Dalíland" von der in New York lebenden Kanadierin Mary Harron – bekannt durch "American Psycho" - konzentriert sich auf die letzten Schaffensjahre des Künstlers. Er beginnt in New York 1974. Zwischen Punk, Kunst und Drogen suchen viele, die sich verwirklichen wollen, hier ihren Platz.

Manch einer hat Glück und findet Zugang zu dem Kosmos des Künstlers Dalí. Der verbringt - gemeinsam mit seiner Frau Gala - alljährlich ein paar Monate im Hotel St. Regis in Manhattan. Dalí ist 70 und hat seine besten Zeiten hinter sich, Gala ist zehn Jahre älter. In New York umgeben sie sich mit jungen Künstlern und solchen, die es werden wollen, suchen Inspiration. Ihre Partys sind legendär - so wie die spannungsreiche Beziehung des Ehepaares auch. Gala aber ist noch immer Dalís Muse, die Einzige, die ihn und seine Kunst versteht.

Umworben
Und sie weiß, dass es ohne Bilder kein Geld und ohne Geld kein Hotelleben gibt. Eine neue Ausstellung steht bevor und Dalí muss liefern. Sein junger hübscher Assistent James, erst von Gala umworben und dann von Dalí angestellt, ist geblendet von dem rauschhaften Leben, das sich ihm hier bietet. Unmöglich, den Erwartungen des Paares gerecht zu werden. Die Perspektive dieser fiktiven Figur James, gespielt von dem vielversprechenden Newcomer Christopher Briney, ist die des staunenden Zuschauers.
Ein Zusammentreffen zweier großer Schauspieler
Barbara Sukowa als Gala ist eine Wucht. Genauso wie Ben Kingsley als Dalí. Die komplizierte Hass-Liebe von Dalí und Gala ist das Herzstück dieses Biopics, das doch keines sein will. Bewusst verzichtet Regisseurin Mary Harron darauf, ein ganzes Leben zu erzählen und gibt trotzdem eine Ahnung davon, wie es wohl gewesen sein könnte.
In wenigen Rückblenden erzählt sie von der Faszination des noch jungen und aufstrebenden Dalís für die gebürtige Russin Gala Ende der 1920er Jahre. Gala war mit dem Dichter Paul Éluard verheiratet, unterhielt eine Liebesbeziehung zu Max Ernst und ging als "Femme Fatale" der Surrealisten in die Annalen ein. Was für ein furchteinflößender und eigenwilliger Charakter sie war - so wie Sukowa sie spielt, wird es vorstellbar. Während Ben Kingsley Dalí mit liebenswürdiger Ironie und charmanter Weltfremdheit verkörpert, ein Künstler, der nur eine Angst kennt: die vor dem Tod.

Ein großes Vergnügen
Musikalisch und bildlich gleitet der Film durch die Jahre, sucht keine falsche Vertraulichkeit und keine überflüssige Aufregung. Vor allem aber ist "Dalíland" das Zusammentreffen von zwei großen Schauspielern. Ihnen zuzusehen, ist ein Geschenk und ein großes Vergnügen.
Ganz ehrlich? Eigentlich hätte es gar kein Drumherum gebraucht. So wie Dalíl und Gala einander jahrzehntelang genug waren, so hätte man auch Sukowa und Kingsley in ein Hotelzimmer stecken und ihnen sagen können: spielt mal Gala und Dalíland - und dann einfach zugeschaut, was sie daraus machen. Auch das wäre garantiert großes Kino geworden.
Christine Deggau, rbbKultur