Der Botschafter von Nigeria in Deutschland Yusuf Maitama Tuggar © dpa/Soeren Stache
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Vereinbarung zu Benin-Bronzen - "Die Rückkehr der Benin-Bronzen wird in Nigeria eine neue Epoche der Innovation einläuten"

Deutschland und Nigeria haben die Rückgabe von Kulturgütern aus der Kolonialzeit mit einer schriftlichen Absichtserklärung eingeleitet. Damit können auch die wertvollen Benin-Bronzen zurückgegeben werden, von denen über tausend in rund 20 deutschen Museen zu sehen sind. Tomas Fitzel hat mit dem Botschafter Nigerias in Deutschland, Yusuf M. Tuggar, über die Bedeutung für sein Land gesprochen.

rbbKultur: Herr Botschafter, die Vereinbarung über die Rückführung der Benin-Bronzen zwischen Deutschland und Nigeria - was bedeutet das für Sie persönlich? Vor gut einem Jahr haben Sie einen eindringlichen und ausführlichen Appell in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht.

Yusuf M.Tuggar: Für mich ist es ein sehr bewegendes Ereignis, weil ich so lange darauf gehofft habe, dass es noch passiert so lange ich noch Botschafter in Deutschland bin. Und Gott sei Dank geschieht es. Und ich bin wirklich glücklich darüber, dass nicht nur die Kulturbeziehung zwischen Deutschland und Nigeria dadurch viel besser wird, sondern dass es auch eine Chance für Deutschland und Nigeria ist, neue Maßstäbe in der Kulturdiplomatie zu setzen.

Und dann sprechen wir auch über die Digitalisierung der Benin-Bronzen. Einiges davon ist bereits geschehen, was auch die Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen und Technik usw. voranbringen wird. Und man sollte nicht vergessen, dass die Handwerkskunst nicht einfach 1897 endete, sondern eben weiterging. So gibt es in Benin immer noch hervorragende Handwerker, die Bronzen herstellen, Kunstwerke produzieren - und die Techniken, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, sind etwas, wovon auch deutsche Künstler:innen, Lehrer und Studierende lernen könnten. Es handelt sich also um eine gegenseitig bereichernde Beziehung, und das wird eine neue Periode einleiten und Maßstäbe für die Zusammenarbeit im Bereich der Kulturdiplomatie setzen.

rbbKultur: Wenn Deutschland und Nigeria jetzt hier neue Maßstäbe setzen, wie reagieren Länder wie Großbritannien inzwischen darauf?

Yusuf M.Tuggar: Es bewegt sich viel derzeit, denn einige Museen und Bildungseinrichtungen haben bereits damit begonnen, einzelne Stücke zurückzugeben. Aber natürlich besitzt das Britische Museum mehr gestohlenes Material als jede andere Einrichtung.

Wir hoffen also, dass all diese Entwicklungen und der Fortschritt, der jetzt gemacht wurde, sie zur Vernunft bringen wird und dass sie sich schließlich auch dieser Entwicklung anschließen und sich um das kümmern, was rechtmäßig Nigeria gehört.

rbbKultur: Wir sprechen bislang meist über Nigeria, aber selten direkt mit Ihnen. Was denken Sie, empfinden Nigerianer über diese Entwicklung?

Yusuf M.Tuggar: Es ist schwierig, vom nigerianischen Volk allgemein zu sprechen, denn wir sind über 200 Millionen Menschen. Aber das Gefühl in Nigeria, in Benin (Stadt), ist im Moment ein sehr feierliches, denn es ist etwas, wonach sie sich gesehnt haben, was ein integraler Bestandteil der Kultur und ihrer Identität ist. Und nicht nur in Benin-City, sondern in ganz Nigeria sind wir stolz auf die Benin-Bronzen und was Benin erreicht hat.

Genauso sind wir stolz auf die Nok-Terrakotta, die Ife-Bronzen und so weiter. Als wir 1977 das Festival FESTAC für Kunst und Kultur veranstalteten, starteten wir eine starke Kampagne, um zum Beispiel die Idia-Maske und einige andere Objekte zurückzubekommen, aber wir wurden zurückgewiesen. Und dies ist ein Teil der kolonialen Last und des kolonialen Erbes. Wenn man sich Afrika heute anschaut, findet man die meisten der wertvollen Kunstwerke in anderen Ländern, die meisten davon in Europa, und nicht in Afrika selbst. Und das brauchen wir.

rbbKultur: Was, glauben Sie, wird die Rückkehr der geraubten Kulturschätze in Nigeria auslösen?

Yusuf M.Tuggar: Nigeria und die Nigerianer besitzen viel Charakter, wir haben viel, was wir in positive Energie umwandeln, denn es geht nicht nur um Schmerz und Leid, das man verinnerlicht und das dann zu negativer Energie wird. Für uns gibt das eine positive Energie und wir haben eine sehr junge Bevölkerung. Kultur steht bei uns ganz im Mittelpunkt.

Nigeria ist heute die Nummer eins, wenn es um Filme in Afrika geht, wenn es um Musik geht, wir haben Stars in der ganzen Welt, die Musik wird überall gespielt und übernommen. Aber wir müssen mehr über die Vergangenheit lernen. Und das können wir nicht, solange wir nicht ganz real über diese Objekte verfügen. Wir haben zwar bereits viele Museen, aber die meisten sind leer und seelenlos, denn die schönsten Objekte befinden sich in ausländischen Museen, etwa auf der Museumsinsel hier in Berlin, und in anderen westlichen Hauptstädten. Und deshalb brauchen wir sie zurück.

In erster Linie, um die Museen, die wir haben, damit zu füllen, sie mit dem Rest der Welt zu teilen, weltweit Ausstellungen zu machen und all das. Und dann werden auch neue Museen gebaut. Und es ist ja nicht so, dass es kein Museum in Benin (City) gäbe, es gibt das Bundesmuseum in Benin (City), und wir sprechen über Projekte zum Bau von mindestens zwei weiteren Museen in Benin City. Und Nigeria ist ein großes Land mit 200 Millionen Einwohnern, also brauchen wir so viele Museen, wie wir nur bekommen können.

rbbKultur: Wer wird konkret der Besitzer sein, wenn die Benin-Bronzen nach Nigeria zurückkehren? Das Königreich Benin existiert nicht mehr, das auch nur ein Teil des heutigen Nigerias ist, aber es gibt immer noch die königliche Familie, den Oba, der auch eine Funktion einnimmt.

Yusuf M.Tuggar: Es ist ein umfassender Prozess, und man darf nicht vergessen, dass wir allein in Deutschland von über 1130 Objekten sprechen. Am Anfang kann es daher nur in ein einziges Museum gehen. Es ist also genug für alle da. Und der Oba von Benin ist als Hüter der Benin-Bronzen anerkannt. Das ist etwas, das sogar ohne jeden Zweifel der Präsident Nigerias anerkannt hat.

Als einige Stücke aus einem britischen Museum zurückgegeben wurden, händigte man sie dem Oba von Benin aus - was aber nicht heißt, dass alles in den Palast von Benin City geht, weil sogar der Oba von Benin seine eigenen Projekte für den Bau eines Museums hat. Die Landesregierung hat auch ein Projekt für den Bau eines Museums.

Es gibt mehr als genug Benin-Bronzen, die wir mit allen Nigerianern teilen können, so dass die Nigerianer zum ersten Mal in der Lage sein werden, sie tatsächlich nicht nur als Repliken oder auf Abbildungen zu sehen, sondern ganz real von allen Seiten. Das ist es, was wir vorhaben, um die nächste Generation von Nigerianern zu inspirieren.

rbbKultur: Wie könnte es denn die nächste Generation inspirieren?

Yusuf M.Tuggar: Was passieren wird, ist eine Inspiration, die verschiedene Bereiche der Gesellschaft erfassen wird. Vergessen Sie nicht, dass es vor der Plünderung der Benin-Bronzen im Jahr 1897 eine lange Periode der Stagnation in der europäischen Kunstszene gab. Erst die Kunstwerke, die aus den afrikanischen Ländern südlich der Sahara nach Europa gelangten, verhalfen der Kunst zu einem neuen Schub und inspirierten die nächste Generation großer Künstler wie Picasso und Matisse.

Wir erwarten, dass dasselbe geschieht, wenn die Benin-Bronzen nach Nigeria zurückkehren. Das wird eine neue Ära einläuten, eine neue Epoche der Kreativität, der Innovation -nicht nur in der Kunstszene, denn Kunst bringt auch Bewegungen in andere Bereiche wie die Wissenschaften und die Technologie. Das erhoffen wir uns.

Das Gespräch mit dem nigerianischen Botschafter führte Tomas Fitzel, rbbKultur.