Museum Barberini - "Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus"
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Fotografie von einem neuen, experimentellen Medium nicht nur zu einer angewandten, sondern auch zu einer autonomen Kunstform. Ihre Fähigkeit den Augenblick festzuhalten, beeinflusste die Malerei. Aber auch umgekehrt beeinflusste die neue "Lichtmalerei" des Impressionismus die künstlerische Fotografie. Diesem Wechselverhältnis will das Museum Barberini in seiner neuen Ausstellung nachspüren.
Auf zwei Etagen erwartet das Publikum eine Ausstellung historischer Fotografie.
Malerische Sujets
Von Landschaften bis zu Stadtansichten der Metropole Paris – die Pioniere der künstlerischen Fotografie wählten ganz ähnliche Sujets wie die Maler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit ihrer Hilfe wurde eine Wirklichkeit sichtbar, die die Malerei nur imaginierte: Wetterphänomene – Blitze, Wolken – oder eine sich brechende Welle, wie sie der Fotograf (und ausgebildete Maler) Gustave le Gray in seinen frühen Aufnahmen des Meeres festhielt.
Neben verschiedenen fotografischen Verfahren, die innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelt wurden – darunter etwa das Autochrom-Verfahren der Brüder Lumière, bei dem Farbe nicht nachträglich aufgetragen, sondern mechanisch reproduziert wurde - entstanden auch diverse Wiedergabe- und Drucktechniken, von denen nicht wenige ihrerseits malerische Qualitäten besaßen. Der Bromöldruck einer "brechenden Welle" etwa, die Robert Demachy um 1900 fotografierte, ist kaum mehr als Fotografie erkennbar.
Fotografien wie "gemalt"
Genau dieses Ziel verfolgte etwa der Piktorialismus – mit immer größeren Formaten, die wie Gemälde gerahmt und signiert wurden. Je mehr Kontrolle der Fortschritt fotografischer Technik ermöglichte, umso gezielter setzten diese Fotografen etwa Unschärfen ein.
Andere wiederum dokumentierten den Wandel der Großstadt Paris oder verdienten ihren Lebensunterhalt damit, Vorlagen für Maler bzw. den künstlerischen Nachwuchs an Akademien zu liefern: Sie fotografierten Bäuerinnen bei der Arbeit, Bäume und Wege im Wald von Fontainebleau, den die Freiluft-Maler der Schule von Barbizon bereits berühmt gemacht hatten, oder Lichtflecken im Wald wie in der impressionistischen Malerei – nur eben "echt". Denn das war das Rollenfach der Fotografie – das "wahre", nicht manipulierte Bild. Und so war auch schon von Anfang an umstritten, ob oder wie viel Manipulation zulässig sei.
Barberini: Eine neue Kunst. Photographie und Impressionismus
Perspektiven für den Impressionismus
Augenfällig sind die ungewöhnlichen Perspektiven, die die Fotografie gerade der modernen Stadt abgewinnen konnte. Die Bild-Aus- und Anschnitte, die ungewöhnlichen "Vogel"-Perspektiven, in denen die Fotografen beispielsweise die neuen Pariser Boulevards zeigten, inspirierte offenkundig impressionistische Maler wie Gustave Caillebotte.
Direkt sehen kann man das allerdings erst im obersten Stockwerk des Museum Barberini, wo mehr als 100 Werke des Impressionismus aus der Sammlung des Museum-Gründers Hasso Plattner ausgestellt sind. Hier, in Anbetracht der späten Seerosen-Bilder eines Claude Monet etwa, wird auch deutlich, dass die Malerei der Fotografie schließlich davon – vielleicht sogar VOR ihr davon-läuft: Denn hier löst sich die Malerei von der Nachahmung des Sichtbaren und wandelt es stattdessen um – etwa in grün-blau-violette Farb-Strukturen.
Verpasste Chance
Doch es hätte, um das enge Wechselverhältnis Impressionismus-Fotografie nicht nur zu behaupten, einer genaueren Gegenüberstellung von Malerei und Fotografie bedurft. Doch leider bleiben - von einigen ganz wenigen Gemälden abgesehen - die historischen Fotografien unter sich. Die berechtigte Frage nach einer wechselseitigen Beeinflussung der jungen "Lichtbildnerei" und der ebenfalls das Phänomen des Lichts aufgreifenden Malerei des Impressionismus, bleibt so leider auf der Strecke – zwischen den Etagen, die beide Kunstformen im Museum Barberini trennen.
Silke Hennig, rbbKultur