HKW: No Master Territories. Feminist Worldmaking and the Moving Image; Helena Amiradżibi: "Kobieta to słaba istota" ("The Weak Woman") © Documentary and Feature Film Studios, Warschau, Polen
Bild: Documentary and Feature Film Studios, Warschau, Polen

HKW - Haus der Kulturen der Welt - "No Master Territories. Feminist Worldmaking and the Moving Image"

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Für die Ausstellung unter dem Titel "No Master Territories. Feminist Worldmaking and the Moving Image" im HKW - Haus der Kulturen der Welt haben die beiden Kuratorinnen Hila Peleg und Erika Balsom rund 100 dokumentarische oder experimentelle Filme vor allem aus den 70er, 80er und 90er Jahren und viele begleitende Texte und Fotos zusammengetragen. Es geht darum, wie Frauen auf der ganzen Welt - ausgehend von der 1968er-Revolution - die Filmkamera nutzten, um die eigene Situation zu beschreiben und zugleich die Welt im feministischen Sinne zu verändern.

Den Titel verdankt die Ausstellung einer Essay-Sammlung der vietnamesischen Filmmacherin und Theoretikerin Trin T. Minh-ha: "No Master Territories" als Beschreibung einer Welt, die jegliche Idee von Herrschaft hinter sich lässt - nicht nur im geschlechtsspezifischen Sinn, sondern generell.

Neuerfindung der Welt

Das mag utopisch klingen, ist aber ganz im Sinne der Ausstellungskuratorinnen, wie Erika Balsom vom Kuratorinnen-Team ausführt: "Ja, aber was ist falsch an Utopien? Das Interessante an dem Begriff 'No Master Territories' ist doch gerade, dass er eine radikale Neuerfindung der ganzen Welt, wie wir sie kennen, fordert. Das bedeutet auch, dass die Idee des Feminismus nicht auf ein Thema beschränkt ist. Da geht es nicht nur um Frauen, sondern darum, generell außerhalb fester Strukturen von Unterdrückung und Herrschaft zu denken und die Welt auf gerechtere Weise neu zu ordnen."

Jenseits des dominierenden Filmkanons

Die Ausstellung konzentriert sich auf dokumentarische und experimentelle Filme, die in der Folge der 1968er-Revolution in den 70er, 80er– und 90er Jahren entstanden sind, als das Filmemachen billiger und dadurch auch demokratischer wurde. Hila Peleg, die zweite Ausstellungskuratorin, erläutert:

"Wir haben den Blick auf Filme gerichtet, die außerhalb des dominierenden Filmkanons entstanden sind. Darum liegt der Fokus auf nichtfiktionalen Formaten wie Experimentalfilm, Dokumentation und Lehrfilm, die für Frauen leichter zugänglich waren. Diese Filme sind durch ein sehr starkes und vielfältiges soziales Engagement geprägt, in dem es über eine Kritik an patriarchalen Systemen hinaus auch darum geht, wie diese mit anderen Systemen der Unterdrückung verzahnt sind, etwa Kolonialismus, Rassismus und Extraktivismus."

Labyrinth der Erzählungen

Ganz bewusst geht der Blick also über den gewohnt westlichen Tellerrand hinaus. Rund 100 kurze und lange Filme haben die Kuratorinnen ausgewählt. Sie eröffnen einen umfassenden Einblick in weibliche Erfahrungswelten auf der ganzen Welt - ein enormes Spektrum!

Neben bekannten Filmemacherinnen wie Ulrike Ottinger, Helke Misselwitz oder Chantal Akerman sind viele Frauen vertreten, die sonst in anderen Bereichen arbeiten und die Kamera nur gelegentlich zur Hand nehmen. Umrahmt sind die Filme durch Fotos und Texte zu Entstehung und Rezeption. Dabei haben die Kuratorinnen die Idee eines "No Master Territories" konsequent auch auf die Ausstellung angewandt, wie Hila Peleg beim Rundgang durch die Räume erläutert:

"Wir wollten nicht in die Falle einer vorgegebenen, singulären 'Master'-Erzählung tappen. Die Ausstellung ist nicht als Rundgang nach thematischen Kapiteln geordnet und es gibt keinen Standort, von dem aus man die ganze Ausstellung überblicken kann. Wir wollen die Zuschauer:innen einladen, sich durch dieses Labyrinth der Erzählungen einen eigenen Weg zu bahnen - ein bisschen so, wie wir das bei unseren Recherchen erlebt haben.“

So historisch wie gegenwärtig und zukunftsorientiert

Es gibt viel zu entdecken in der großen Ausstellungshalle, allein die Formenvielfalt des künstlerischen Ausdrucks ist faszinierend. Dabei sind klassische Dokumentationen wie "My Survival as an Aboriginal" von Essie Coffee, eine autobiografisch geprägte Kampfansage gegen die Enteignung und Marginalisierung der australischen Ureinwohner, subversive Erkundungen weiblicher Erfahrungen in einer männlich dominierten Welt wie "We aim to please" von Robin Laurie und Margot Nash, aber auch Animationen und Bildcollagen. Das ausgebreitete Material ist so vielfältig und umfangreich, dass ein einziger Ausstellungsbesuch gar nicht reichen würde, um alles sehen zu können - darum gilt das Ausstellungsticket auch für zwei Besuche.

Das Filmprogramm wechselt täglich und wird im Wochenrhythmus wiederholt. Auch wenn sich die Ausstellung auf die prägende Umbruchszeit der 70er, 80er und 90er Jahre konzentriert, weist sie weit darüber hinaus, sagt Kuratorin Erika Balsom: "Wir wollen zeigen, dass diese Form der feministischen Mediennutzung bis heute und darüber hinaus weiterläuft. Das jüngste Ausstellungsstück stammt von 2021, eine Serie von Zeichnungen von Tabea Blumenschein. Wir sagen also ganz klar, dass das ein Projekt ist, das auch für uns heute noch eine enorme Dringlichkeit hat!"

Anke Sterneborg, rbbKultur

HKW: "No Master Territories. Feminist Worldmaking and the Moving Image"