Museum Barberini - "Die Form der Freiheit. Internationale Abstraktion nach 1945"
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in der Kunst der westlichen Welt ein neues Kapitel aufgeschlagen: Figuration war "out", Abstraktion "in". Zur Ausdrucksform einer "freien Welt" wurde insbesondere der "Abstrakte Expressionismus", der mit Künstlern wie Jackson Pollock, Willem de Kooning oder Franz Kline von den USA aus seinen Siegeszug antrat, während die ebenfalls abstrakte Malerei des "Informel" ihr Zentrum in Paris hatte. Dass diese beiden wichtigsten Strömungen der Nachkriegszeit keineswegs so unbeeinflusst voneinander waren, wie oft behauptet, belegt jetzt das Potsdamer Museum Barberini.
Mit Ende des Krieges 1945 war die figürliche Kunst im Westen diskreditiert. Zu sehr hatte sie sich vor den jeweiligen ideologischen Karren von Faschismus und Kommunismus spannen lassen.
Transatlantische Verbindungen
Wie die Ausstellung gleich eingangs deutlich macht, hatten viele Protagonisten des Abstrakten Expressionismus europäisch-jüdische Wurzeln und/oder waren über den aus Europa sich verbreitenden Surrealismus zur Abstraktion gekommen, wie u.a. ein frühes Gemälde von Mark Rothko illustriert.
Kunstform einer freien Welt
Die politische Vereinnahmung der Kunst indessen setzte sich fort: Die Abstraktion als freie Ausdrucksform eines künstlerischen Individuums trat ihren Siegeszug an – nicht nur in den USA. Dort aber wurde der Export des Abstrakten Expressionismus, der als originär amerikanische Kunstform gilt, gezielt gefördert. Aus Sicht der Künstler ging es um Freiheit im Ausdruck, um Individualität, um eine Hinwendung zum Geistigen, um Transzendenz.
Aber auch die Gruppe derjenigen, die sich dem Informel in Frankreich anschlossen, war international. Sie kamen u.a. aus Deutschland, wie der früh verstorbene Wols, oder aus Spanien, wie der Katalane Antoní Tàpies. Und auch amerikanische Künstler zog es gleich nach dem Krieg nach Paris - beispielsweise die Malerin Joan Mitchell oder ihren Kollegen Sam Francis, die trotz langjähriger Aufenthalte in Frankreich, nicht als Vertreter des Informel, sondern des Abstrakten Expressionismus gelten.
In einem großartigen Raum vereint, ist ihren bunten Farblandschaften aus Pinselschwüngen, Farbnasen und die Begeisterung für Claude Monets späte Seerosen-Gemälde förmlich abzulesen und man versteht, warum für diese Art der Malerei der Begriff "Abstrakter Impressionismus" geprägt wurde. Es sind solche transatlantischen Verbindungen und wechselseitigen Einflüsse, die Raum für Raum, von Action Painting bis Farbfeldmalerei, transparent gemacht werden. Eine Unterscheidung in "Informel" und "Abstrakter Expressionismus" erscheint dabei zunehmend mutwillig.
Beeindruckend
Eindrucksvoll ist auch das Aufgebot an großen Namen wie Jackson Pollock, Barnett Newman oder eben Mark Rothko – umso mehr, als sie nicht als "Stars" eingesetzt werden. Stattdessen illustriert beispielsweise ein 1945 entstandenes Bild der Malerin Janet Sobel, "Illusion der Festigkeit", im Vergleich zu Drip Paintings von Pollock, woher er seine Inspiration bezog. In Nachbarschaft zu Werken seiner Ehefrau Lee Krasner oder dem jung verstorbenen Morris Louis wird offenbar, dass nicht nur Pollocks Experimente mit der Art des Farbautrags zu großartigen Ergebnissen führten – die auch in Europa begierig aufgenommen, begleitet, weiterentwickelt wurden.
Es ist bemerkenswert, wie viele qualitätvolle Werke diese Ausstellung versammelt – gerade auch von hierzulande wenig bekannten Malern und insbesondere Malerinnen. So überzeugt sie nicht nur konzeptionell, sondern auch mit der Qualität und Frische der gezeigten Bilder.
Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Silke Hennig, rbbKultur