Installationsansicht "Isaac Julien: PLAYTIME" im PalaisPopulaire by Deutsche Bank; © Isaac Julien, Courtesy Sammlung Wemhöner / Foto: Mathias Schormann
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Werke aus der Sammlung Wemhöner, Palais Populaire - Isaac Julien: "PLAYTIME"

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documenta- und Biennale-Teilnehmer, Träger des Goslarer Kaiserrings und von Königin Elizabeth in den Ritterstand erhoben: Der 1960 als Sohn karibischer Einwanderer in London geborene Isaac Julien gehört zu den erfolgreichsten Künstlern seiner Generation. Jetzt ist er mit der Arbeit "Playtime" aus der privaten Sammlung Wemhöner im Palais Populaire in Berlin zu erleben.

Isaac Juliens "Playtime" entstand vor zehn Jahren in Reaktion auf die globale Finanzkrise und als Teil einer länger währenden Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Thema "Kapital". Im Fokus stehen das Verhältnis von Kapital zu Arbeit, Globalisierung, Kunstmarkt, sowie die Veränderungen, denen diese Beziehungen durch Digitalisierung und Algorithmen unterworfen sind. Nicht zufällig zitiert der Titel Jacques Tatis gleichnamige Filmkomödie von 1967 (mit der der Franzose sich damals finanziell ruinierte). Julien streut immer wieder Verweise auf den Film ein - etwa das Klacken von Absätzen in leeren Büro-Hallen. Wo Tati die "schöne neue" technisierte Arbeitswelt illustriert, indem er von oben die Angestellten in ihren immer gleichen würfelförmigen Büro-Einheiten filmt, zeigt Isaac Julien statt Angestellten nur mehr Computer-Terminals.

Wie zeigt man Kapital?

Eine Dreikanal-Video-Installation ist der Kern dieser Arbeit: Auf drei Leinwände werden verschiedene Varianten desselben Films projiziert - fünf separate Episoden, jeweils mit anderen Personen an anderen Orten. In einem Vorraum stimmen Fotografien auf einzelne Szenen und auf dieses Personal ein: Darunter eine philippinische Hausangestellte in Dubai, die wir bei der Arbeit beobachten und wie sie verloren auf die glitzernde Stadt schaut und über ihr Leben sinniert. Eine Journalistin, gespielt vom chinesischen Filmstar Maggie Cheung, interviewt einen Star-Auktionator, Simon de Pury, der auch im wirklichen Leben ein prominenter Kunst-Versteigerer ist.

Wie die Schwerkraft, sei auch Kapital nicht zu fassen. Selbst unsichtbar, wird es nur in seinen Wirkungen erkennbar, räsonieren zwei Londoner Hedgefonds-Manager in einer klinisch weißen, leeren Büro-Etage. Isaac Julien macht sich diese Sichtweise zu eigen. Die Lichterlandschaft des Finanzdistrikts der Londoner City mit den gläsernen Bürotürmen oder das luxuriös-unpersönliche Apartment in Dubai zeigt er als gleichermaßen künstliche wie makellose Welt: Orte, geschaffen um Geld zu verdienen.

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Nur da, wo das Kapital nicht oder nicht mehr triumphiert, verlieren die Bilder ihre sterile Perfektion. In Island beispielsweise, vom Finanzmarkt-Crash besonders gebeutelt, wandert ein Künstler durch das, was nach der Finanzkrise von seinem modernistischen Haus geblieben ist: Ein verlassener Rohbau, ein geplatzter Traum. Die Kamera beobachet, wie er vor dem "Auge" eines riesigen, kreisrunden Fensters steht und in die schneebedeckte Landschaft hinausschaut. Natur wird immer wieder zum Gegenbild – mal als Eis-, mal als Sandwüste.

Diese Gegenüberstellungen erscheinen bisweilen schematisch und nicht immer vermeidet der Künstler Klischees beim Versuch, die Wirkung von Kapital in Bildern einzufangen. Mit rhytmischen Schnitten und jeweils eigenem 'Sound' entwickeln die einzelnen Episoden dennoch Sogkraft.

Kunst als Fluchtpunkt von Kapital

Wir alle leben mit und von den "Strukturen des Kapitals" sagt Isaac Julien. Seine eigenen Arbeiten könnten ohne gar nicht entstehen. Filmproduktion ist teuer. Eine kurze Szene in "Playtime", in der Julien selbst im Bild erscheint, verweist darauf, dass er sich sehr wohl bewusst ist, als international erfolgreicher Künstler Teil der besonderen Verflechtung von Kunst und Kapital zu sein. Der Auktions- und Kunstmarkt – beides reflektiert diese Arbeit, ohne neue Einsichten zu vermitteln. Sie beschreibt, dass Kunst längst zu einem "Fluchtpunkt" von Kapital geworden ist – weil sie ihren materiellen Wert in großen Sprüngen steigern kann und weil sie Kapital mit ideellem Wert anreichert.

Ist es so gesehen paradox oder besonders passend, wenn diese Arbeit ausgerechnet an einem Ort gezeigt wird, den die Deutsche Bank finanziert? Absolut passend, findet Isaac Julien.

Silke Hennig, rbbKultur