Akademie der Künste - "MACHT RAUM GEWALT. Planen und Bauen im Nationalsozialismus"
Fünf Jahre lang erforschte eine Unabhängige Historikerkommission, bestehend aus 28 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, im Auftrag des Bundesbauministeriums das Bauwesen im Nationalsozialismus in all seinen Facetten. Angefangen beim einfachen Siedlungsbau, über den Autobahnbau über die Planungen für die Umgestaltung Berlins und München mit Monumentalbauten bis zu dem ganzen Lagersystem. Am Dienstag wurde das Ergebnis vorgestellt: eine vierbändige Publikation, 1.300 Seiten schwer. Zugleich zeigt die Akademie der Künste am Pariser Platz eine Ausstellung zum Thema.

Der passende Ort, denn hier besaß nicht nur der Lieblingsarchitekt von Hitler, der Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Albert Speer seinen Arbeitsplatz. In den Ausstellungsräumen, die erhalten geblieben sind und in den Neubau integriert wurden, stellte Speer auch seine Architekturmodelle aus. Eingezwängt und fast versteckt wird ein Modell der geplanten "Großen Halle" gezeigt, ein Kuppelbau von unvorstellbarem Ausmaß. Daneben steht im gleichen Maßstab ein Modell des Brandenburger Tors, das im Vergleich dazu nicht größer als Imbissbude wirkt. Auch das Architekturmodell für München als Hauptstadt der Bewegung ist zu sehen. Nichts davon wurde je realisiert. Glücklicherweise.
Faszinationsgeschichte der NS-Architektur
Die Ausstellung selbst wirkt wie eine noch unfertige und etwas unübersichtliche Baustelle, Holzlattengerüste, die ein Labyrinth bilden. Daran befestigt Fotos, Pläne und Texttafeln, alles ganz einfach mit dem Gestus des Provisorischen. Das setzt schon mal einen gekonnten Kontrapunkt zu einer Architektur, die mit der Wucht auftrat, für ein tausendjähriges Reich zu planen. Aber anders als in früheren Ausstellungen zu diesem Thema geht hier diesmal nicht um die Ästhetik und Faszinationsgeschichte der NS-Architektur, der Inszenierung der Macht. NS-Architektur sei eben mehr als Speer, betonen die beteiligten Ausstellungsmacher und Historiker, wie Wolfram Pyta, der Sprecher der Historikerkommission:
"Bauen und planen gehören zum Wesenskern nationalsozialistische Herrschaft. Sie sind kein Dekorum. sondern in ihn zeigt der Nationalsozialismus, das was er will. Und das war kein Projekt nur von Hitler oder Speer allein, sondern ein Gemeinschaftsprojekt, an dem ganz unterschiedliche Institutionen, Architekten, Bauingenieure und Bauunternehmer beteiligt sind, ein Projektes, das tief in die Gesellschaft hinein wirkt und in dem sich dann auch der verbrecherische Charakter des Nationalsozialismus manifestiert."
Das bauliche Erbe des NS
Die letzten Zeitzeugen werden bald verschwunden sein, aber die baulichen Hinterlassenschaften des NS sind geblieben. Oft übersehen, weil es sich um einfache Wohn- oder Zweckbauten handelt, in denen nach wie vor Menschen täglich ein- und ausgehen. Zum Beispiel rund um den Fehrbelliner Platz aber auch vielen Wohnsiedlungen. Das Bauwesen bot im Dritten Reich einer neuen jungen Generation ungeahnte Möglichkeiten, erklärt Wolfram Pyta: "Denn sie konnten unbegrenzt gestalten. Wenn man in der Gunst der Führung stand, konnte man sich unglaublich entfalten und das war eine große Verführung gerade für Architekten und Bauingenieure."
Mit einem Vorurteil räumt diese Ausstellung auf: dass die NS-Architektur hauptsächlich rückwärtsgewandt und in Gegnerschaft zur Moderne gewesen sei. Das galt für den Anfang. Hier sieht man auch die Entwürfe und Schriften gegen die ungesunde Großstadt, die Plädoyers für den Kleinsiedlungsbau, am besten als Selbstversorger mit Gemüsegarten und Hühnern und Ziegen. Aber das änderte sich rasch, wie der Architektur und Wohnsoziologe Tilman Harlander erklärte, rasch nach ersten Blitzkriegserfolgen ab 1940. Denn ab da standen scheinbar unbegrenzten Ressourcen an Material, Geld, aber auch menschliche Arbeitskraft zur Verfügung, um damit die Kapazitäten im Wohnungsbau zu verdoppeln. Es wurden nicht nur als versprechen für die deutschen Bevölkerung viel größere Wohnungen ab da gebaut, auch die jährlichen Fertigstellungszahlen verdoppelten sich "Endlich, sagten da die in dem Bereich Engagierten", so Tilman Harlander, "hat der Führer den Befehl gegeben, loszuschlagen."
Die Ordnung der Lager
Hier wird der Zusammenhang von Bauen und Kriegs- sowie Gewaltherrschaft deutlich. Am Anfang stand die Vertreibung und Enteignung. Man sieht einen Stadtplan von Berlin mit dem Stempel "nur für den Dienstgebrauch", in dem "judenreine" Gebiete markiert sind, die Bewohner also verschleppt und womöglich schon umgebracht worden sind, ihre Wohnungen bezogen andere, dann bringt der Krieg Rohstoffe und Millionen Zwangsarbeiter ins Land. Den Ausstellungsmachern und Historikern war daher wichtig zu zeigen, dass nicht die Bauten von Albert Speer das Gesicht des Dritten Reiches prägten, sondern Baracken, Lager und am Ende Ruinen. Deutschland war zu einer Lagerlandschaft geworden.
Das begann mit der eigenen Bevölkerung, die in lagerähnlichen Strukturen ideologisch auf die Volksgemeinschaft eingeschworen werden sollten, angefangen bei der Hitlerjugend bis zu Berufsvereinigungen, wie etwa den Beamten. Oder auch in den neuen organisierten Ferien, wie in Prora auf Rügen, das auch eine Art Lager darstellt. Dann die Barackenlager für Millionen Zwangsarbeiter, Millionen von Kriegsgefangenen und dann die ganzen Konzentrationslager und d Vernichtungslager im Osten also Deutschland. Das Lager ist die Signatur der NS-Architektur. Drei Luftbildaufnahmen von drei Konzentrationslagern beenden dann das NS-Kapitel.

Stunde Null?
Die Ausstellung verfolgt aber auch die Kontinuitäten von Biografien und stellt 50 Architekten vor und ihren beruflichen Werdegang nach 1945 zum großen Teil in der BRD. Nur die wenigsten mussten sich je rechtfertigen. Ebensowenig wie die beteiligten Bauunternehmen. Noch im Krieg werden Pläne für eine Architektur nach dem Krieg entwickelt. Es gibt Kontinuitäten in der Stadtplanung, die Ablehnung der gründerzeitlichen Stadt, die Planung der autogerechten Stadt, aber auch die ostentative Hinwendung zur modernen Stadt, der Einzug der Flachdächer, um so die NS Vergangenheit hinter sich zu lassen. Statt kritischer Aufarbeitung, "hagelte es Bundesverdienstkreuze", so der Historiker Wolfgang Benz.
Die Ausstellung ist nicht ganz einfach zu erkunden, sie zersplittert in zu viele Einzelaspekte. So zieht sie auch Vergleiche zu der Stadtplanung in anderen Ländern, wie dem faschistischen Italien oder den USA zur Zeit des New Deal. Aber es fehlt so etwas wie ein erzählerischer Faden, der dies alles zusammenhalten würde. Die Strukturen, wie das Bauwesen im NS gegliedert war, um die es den Historikern besonders ging, sind eben nur schwer anschaulich darzustellen. Aber dafür gibt es den Katalog, und wem das zu wenig ist, noch die vier Bände der Historikerkommission. Und dazu gibt es noch ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm.
Tomas Fitzel, rbbKultur