28. - 30.04.2023 - Gallery Weekend Berlin
Rund 50 Berliner Galerien laden seit nunmehr 19 Jahren immer im Frühjahr zu einem Gallery Weekend – mit besonderen Ausstellungen und ausgedehnten Öffnungszeiten. Nicht jeder darf diesem ausgewählten Kreis angehören, aber viele schließen sich trotzdem an: Auch Institutionen, Projekträume und private Sammler machen spezielle Ausstellungsangebote und Führungen. Nach drei Jahren Pandemie-bedingter Einschränkungen holt die Kunststadt Berlin an diesem Wochenende tief Luft.
Kuratierte Gruppenausstellungen – etwa mit iranischen Künstlerinnen wie in der Galerie Crone in Charlottenburg - oder "malerische" Fotoarbeiten von Cy Twombly, einem der ganz Großen der Kunst des 20. Jahrhunderts, in der Galerie Bastian in Zehlendorf: Das Bemühen der beteiligten Galerien, an diesem Gallery Weekend Besonderes zu bieten, ist bemerkenswert.
Mehr als "das Übliche"
So zeigt die Galerie Michael Haas in Charlottenburg mit Wandarbeiten von Louise Nevelson und kinetischen Plastiken von George Rickey – der zeitweise auch ein Atelier in Berlin unterhielt – zwei große US-amerikanische Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Und auch die Galerie Nothelfer – alt-eingesessen, aber erstmals beim Gallery Weekend dabei – würdigt mit einer Ausstellung von K.R.H. Sonderborg, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, einen der bedeutendsten Vertreter der informellen Malerei in Deutschland.
Picasso in Holzschuhen
Kunst, die ihre Museumswürdigkeit schon längst bewiesen hat, ist auch bei Michael Werner zu entdecken. Die Galerie mit Ablegern in London und New York ist zu ihren Berliner Wurzeln zurückgekehrt, nachdem sie mehr als 50 Jahre lang ihren Sitz in Köln hatte. In neuen Räumen – wiederum in Charlottenburg, das sich gerade zu Berlins Galerien-Zentrum entwickelt – präsentiert sie in einer sehr umfangreichen, sehenswerten Ausstellung Bilder der 50er und 60er Jahre von Gaston Chaissac, einem künstlerischen Einzelgänger mit Art-Brut-Anklängen, der sich selbst als "Picasso in Holzschuhen" bezeichnete.

Breiteres Spektrum
Die starken Auftritte von Galerien mit Kunst des 20. Jahrhunderts im Programm signalisieren eine leichte Akzentverschiebung in einer Stadt, die bislang vor allem für zeitgenössische Kunst stand. Das Spektrum wird breiter gefächert. Galerien, die etablierte Namen vertreten und solche, die sich um den künstlerischen Nachwuchs kümmern, ziehen stärker an einem Strang. Ausdrücklich bemüht sich die Organisation des Gallery Weekends immer auch um "junge" Galerien. Doch neben Entdeckungen braucht es immer auch "Zugpferde", damit der Kunststandort Berlin attraktiv bleibt.
Schaufenster für Verschiebungen
Das Gallery Weekend – eine Investition für die teilnehmenden Galerien und die Stadt, die es finanziell unterstützt – ist eine Art Schaufenster für die Bewegungen innerhalb der Galerien-Szene. So wird die Malerin Katharina Grosse nach ihrem öffentlichen Weggang von der Galerie Johann König jetzt von Max Hetzler vertreten – inzwischen mit vier Standorten in Berlin vertreten. Allerdings wirken die Bilder, die die Malerin in ihrer ersten Ausstellung bei Hetzler zeigt, wie aus der Brezel-Backstube: Leinwände nach immer der gleichen Formel mit gebündelten, neon-bunten Farb-Bändern und -Schlaufen.
Eine Etage höher, auf dem ehemaligen Tagesspiegel-Gelände an der Potsdamer Straße, präsentiert auch die Galerie Esther Schipper ihren jüngsten Coup: Sie repräsentiert jetzt die Medienkünstlerin und -Theoretikerin Hito Steyerl, eine der international einflussreichsten Künstlerinnen derzeit, die in Berlin lebt und lehrt. "Contemporary Cave Art" – "zeitgenössische Höhlenkunst" – heißt diese erste Ausstellung bei Esther Schipper, die u.a. aus einer filmischen Installation besteht, die Steyerl von der letzten documenta in Kassel vorzeitig abgezogen hatte – in Reaktion auf den Umgang mit dem Antisemtismus-Skandal dort. Jetzt kann man sich diese komplexe, aber auch unterhaltsam alle möglichen Themen von Krypto-Währung, Ökologie über das Verhältnis Mensch-Tier-Computer verwebende Arbeit hier noch mal in Ruhe ansehen.
Angesichts solcher Angebote: Kein Wunder, dass die Veranstalter schon vor der Eröffnung des diesjährigen Gallery Weekends von mehr angemeldeten Besuchern aus aller Welt als zu vor-pandemischen Zeiten berichten konnten.
Silke Hennig, rbbKultur