12.05. - 27.08.2023 - Dürer für Berlin. Eine Spurensuche im Kupferstichkabinett
Nicht jeder zu Lebzeiten erfolgreiche Künstler bleibt auch der Nachwelt in Erinnerung. Einer der wenigen, die zu allen Zeiten geschätzt wurden, ist Albrecht Dürer. Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen seiner Handzeichnungen und Druckgraphiken – weil dieser herausragende und umfangreiche Dürer-Bestand gezielt für Berlin als Hauptstadt des 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreichs gesammelt wurde. Die Ausstellung "Dürer für Berlin" zeichnet die Entstehung der Dürer-Sammlung des Kupferstichkabinetts im Wechselspiel zwischen Politik und der (noch jungen) kunsthistorischen Forschung nach.
Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit nutzte Albrecht Dürer die Verbreitungsmöglichkeiten der Druckgraphik, um sich und sein Werk bekannt zu machen. Sein Name - in Gestalt der zum Logo ineinander gestellten Anfangsbuchstaben "A" und "D" wurde zum Synonym für deutsche bzw. altdeutsche Kunst - auch im Ausland.
Nationale Leitfigur
Als kulturelles Aushängeschild Preußens und später - mit der Reichsgründung 1871 - Deutschlands, war er damit bestens geeignet. Das dazu noch Dürers 400. Geburtstag in dasselbe Jahr fiel, wurde als bedeutungsvolles Zeichen genommen. Sein Status als nationale Leitfigur im 19. Jahrhundert lässt sich u.a. an der Vielzahl von Kopien ablesen, die renommierte Künstler wie Karl Friedrich Schinkel anfertigten oder auch an den diversen "Dürer-Festen", für die in Berlin z.B. Adolph Menzel Einladungskarten entwarf.
Auch Dürers enge Verbindung zu Kaiser Maximilian I. hatte Vorbild-Charakter im 19. Jahrhundert: Er erhielt eine Leibrente vom Kaiser und trug erheblich zu dessen Repräsentatioin bei. Davon zeugen nicht zuletzt zwei unterschiedliche Varianten der "Ehrenpforte" für den Kaiser – der größte Holzschnitt aller Zeiten, drei Meter hoch, aus einzelnen Blättern zusammengesetzt und einmal in einer schwarz-weißen, einmal in einer kolorierten Fassung in der Sammlung. Beide zeigt die Ausstellung.
Kupferstichkabinett: Dürer für Berlin
Dürer-Streit und noch mal von vorn
Ihr Aufbau folgt nicht der Chronologie oder Thematik der Werke, sondern spiegelt den Charakter und die unterschiedlichen Schwerpunkte der verschiedenen Sammlungen, aus denen die Berliner Dürer-Grafikbestände stammen. Nachdem 1871, aus Anlass von Dürers 400. Geburtstag, die Veröffentlichung eines Prachtbands zur damaligen Sammlung zum sogenannten Dürer-Streit, zu Fälschungs-Vorwürfen und dazu führte, dass ein großer Teil der Dürer-Blätter des Kupferstichkabinetts abgeschrieben werden musste, ging man daran, sie mit neuen Maßstäben wieder aufzubauen.
Die Qualität der Drucke spielte eine größere Rolle. Das und die Entschlossenheit, die bisweilen gefordert war, illustriert ein Telegramm, das Direktor Friedrich Lippmann 1877 aus Paris schickte. Dringend erbittet er darin die nötigen Geldmittel, um die Sammlung Posonyi-Hulot zu erwerben mit einem Schwerpunkt auf Handzeichnungen, aber auch Kupfer- und Holzschnitten "in herrlichsten Abdrucken", wie er schreibt. Diese Sammlung - mit Aquarellen, Proportionsstudien und herausragenden Silberstiftzeichnungen wie den "Zwei Löwen", die Dürer 1521 im Tiergarten von Gent nach der Natur zeichnete - bildet jetzt das Herzstück der Ausstellung.
Komplexes Vergnügen
Die Fülle des grafischen Werks allein, das hier ausgebreitet wird, ist beeindruckend. Die zusätzliche Ebene, auch die Rolle der Dürer-Bestände für Berlin - für die hiesige Künstlerschaft, aber auch für die politische Repräsentation – zu spiegeln und aufzuzeigen, wie das Dürerbild durch nationale Interessen, aber auch die (noch junge) kunsthistorische Forschung beeinflusst wurde, macht die Ausstellung zu einem komplexen Vergnügen. Man muss es sich allerdings erarbeiten.
Silke Hennig, rbbKultur