Restaurant - Sathutu
Durchaus wäre es möglich, sagt Lisa Baldurage mit einem verschmitzten Lächeln, dass ihr Restaurant den höchsten Kokosmilchverbrauch pro Gast habe. Wenn dem so sein sollte, dann macht sich die vegane Sahne zumindest nicht als retardierendes Moment bemerkbar in den Gerichten, die das "Sathutu“ so anziehend machen. In den Grundzügen haben diese sich vor dem südindischen und tamilischen Kulturhintergrund entwickelt, stellen aber jeweils einen Versuch dar, sie individuell zu interpretieren.
Dass sie akkurat und vor allem frisch zubereitet sind, erhebt sie weit über das übliche Niveau dieses Genres in Berlin, das über eine avanciert pragmatische Zubereitung von Standards wie Chicken Tikka, Palak Paneer, Dosa-Crêpe und Samosa-Taschen selten hinauskommt.
Die deutsch-srilankische Gründerin hat ihr Handwerk im kulinarischen Institut "Le Cordon Bleu London" erlernt und mag wohl auch - zumindest ist es zu vermuten - viele Anstöße aus der großen südostasiatischen Gastroszene der britischen Hauptstadt hierher mitgebracht haben. Dass die Speisen konzeptionell durchdacht sind, aber dabei einen unverkennbar persönlichen Touch besitzen, haben sie Lisa Baladurage zu verdanken.
Die Gewürztöne erklingen kurz nacheinander
Zehn Gerichte (zwischen 5 und 22 Euro) stehen auf der Menükarte. Sie sind allesamt eher im Bistrotformat portioniert und genügen ihren Themen ohne allzu breite Fächerung oder gar Aufsplitterung. Doch selbst ein so geschlossenes Tellergericht wie der Dhal (begleitet von Roti, einem an Pancake erinnernden Fladenbrot mit Kokos) wirkt in sich gestuft.
Die ersten Löffel verbreiten Wärme, dann heizt er einem ein bisschen mit Schärfe ein. Wie bei einem Arpeggio erklingen die Gewürztöne nicht zusammen, sondern kurz nacheinander, wodurch der nivellierende Effekt von Curry umgangen wird – zunächst spröde Ceylon-Zimt, dann Kurkuma, vorsichtig eingesetzter Bockshornklee sowie Anissamen und leises Salz. Das Mineral tritt hinzu wie ein verspäteter Gast, der möglichst unauffällig an der Tafel Platz nimmt. Sobald man dieses Linsen-Porridge mit der Zunge am Gaumen zerreibt, ist der gebrochene Akkord deutlich zu vernehmen.

Kokos-Cheesecake eine erstrangige Delikatesse
Wenn man die melodische Seite dieser Küche betonen will, dann bieten sich dafür die Akkordfortschreitungen im "potatoe curry, roti, onion chutney" an. Zunächst bewegen sich die aromatischen Eindrücke zwischen den unterschiedlichen Süßegraden von Kokos, Palmzucker und Zwiebel.
Dann gelangen sie über grünen Kardamom zum eigentümlich unscharfen, aber mit jedem Bissen stärker durchdringenden Aroma von Pandan-Blättern. Dessen Geschmackssegmente, die später den abschließenden Kokos-Cheesecake zu einer erstrangigen Delikatesse machen, könnte man mit Aloe vera, Gurke, Korianderwurzel, Lakritz, Vanille und einem Hauch angesengtem Topflappen zu beschreiben versuchen.
Weniger musikalisch, dafür handfest und auch ein bisschen in sich gekehrt wirken die Jackfruit-Kartoffel-Kroketten mit hausgemachten Ketchup. Das jedoch gibt sich als fruchtiges Chutney zu erkennen und stellt der frittierten Wucht dieser Entsprechung der Falafel Frische entgegen.
Dem Backhendl ähnlich ist das "colombo chicken“. Zu dessen Gelingen trägt wesentlich das vorzügliche Huhn von den verantwortlich züchtenden "Odefey und Töchter“ in der Lüneburger Heide bei. Es wird von Salzzitrone, Petersilie, etwas Senf und Honig lediglich ein wenig angehoben. Die "fries“, eine Art Lagerfeuer-Kartoffelecken, ergänzen die feine Würze zwar mit einer Spur Rauch, betonen aber – für manchen Gast gewiss unnötig – auch das Deftige in der Anlage der Speise.

Ein freundlich-modern eingerichtetes Lokal
Die Muscheln in einem denkwürdigen Kokossud entwickeln sich dann wieder in kleinen Schritten. Nun fällt die erstaunliche Wandlungsfähigkeit des homogenen Nussextrakts erst richtig auf. Wenn er Kaffirblätter, Limette, Zitronengras und Sternanis sowie die Aura von Meeresfrüchten gleichsam zum Schweben bringt, tritt seine charakteristische Note unversehens in den Hintergrund – wie eine Leinwand etwa, auf die fröhliche Farben gemalt wurden.
Das Schmeichlerische seiner Konsistenz rückt dagegen in den Fokus. Beim wohl interessantesten Gericht "batura, burrata, eggplant“ wird das Augenmerk auf vier starke Komponenten gelegt: Batura, das in der Pfanne aufgeblähte Fladenbrot mit seinem röstigen Ton, ein ausgesprochen grünes Pesto aus Kardamomlaub, Petersilie, Zwiebel und Salzzitrone, geschmolzenem Buttermozzarella und schließlich geschmorte Auberginen, die das Herbe ins Spiel bringen. Die Schichten liegen wie bei einer Torte übereinander und erlauben einen vertikalen Genuss. Spätestens bei ihm kommt einem endgültig zu Bewusstsein, was die Hauptstadt mit diesem freundlich-modern eingerichteten Lokal gewonnen hat.
Thomas Platt, rbbKultur