Alte Turnhalle Berlin © Elisabetta Gaddoni
Elisabetta Gaddoni
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Brunch und Sommergarten in Friedrichshain - "Alte Turnhalle Berlin"

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Bis 2001 diente das flache, Anfang der 50er Jahre im neoklassizistischen Stil der Stalinallee errichteten Gebäude als Sporthalle für die Kinder der benachbarten Grundschule. Heute ist die "Alte Turnhalle" mit dem beeindruckend eingerichteten Saal beliebte Location für große Feiern, Events, Tanzabende und Sonntagsbrunch. Im Sommer lockt der große, weiträumige Sommergarten mit "Tankbier" und unkomplizierten, geschmacksvollen Gerichten jenseits des üblichen Biergarten-Angebots.

Schon von außen gesehen wirkt die "Alte Turnhalle" ungewöhnlich mit ihren neoklassizistischen Linien, die an die sozialistischen Prunkbauten der Karl-Marx-Allee erinnern, wenn auch in der flachen Variante. Der Biergarten, der von drei Seiten das Gebäude umgibt, ist schön gestaltet und weiträumig genug, um gemütlich und ohne dicht nebeneinander zu sitzen, als hätten sich die Betreiber unbefristet auf die Corona-Vorschriften eingestellt.

Alte Turnhalle Berlin © Elisabetta Gaddoni
Bild: Elisabetta Gaddoni

Der Blick in die ehemalige Turnhalle löst aber erst recht angenehme Überraschung aus: Der riesengroße Saal mit Holzboden und -decke ist atemberaubend schön, eine Galerie mit zusätzlichen Tischen umfasst ihn von drei Seiten und der imposante Kronleuchter in der Mitte ist der Hingucker schlechthin. Dass hier seit Jahren Hochzeits-, Firmen- und Abifeier stattfinden, mit pandemiebedingten Pausen, liegt auf der Hand: Die Location eignet sich ideal dazu und bietet im Sommer auch noch einen attraktiven Außenbereich.

Zurzeit wird nur der Sonntagsbrunch im Saal angerichtet; während der Woche steht der Kundschaft der Biergarten zur Verfügung. Reservieren wäre angebracht, denn nicht alle verfügbaren Plätze werden belegt, vielleicht auch aus Rücksicht auf die Küche, die die Bestellungen abarbeiten soll, ohne dass allzu lange Wartezeiten entstehen. Dafür sorgt auch das Personal - trotz der Größe des Biergartens präsent, freundlich und effektiv.

Regionale Küche für den modernen Geschmack

Die Speisekarte ist unkompliziert, bietet dennoch Gerichte, die auf regionalen Zutaten basieren und eher dem heutigen Geschmack entsprechen als die Biergarten-Klassiker Bratwurst und Nackensteak. Neben kleinen Vorspeisen und Snacks gibt es vor allem sogenannte "Berliner Platten" mit sehr gutem Sauerteigbrot, begleitet von verschiedenen, geschmacksvoll zusammengestellten Zutaten, Pflücksalat und Dips. Benannt sind sie nach verschiedenen Ostberliner Bezirken: "Köpenick", die ansprechendste Kombination, bietet milden, saftigen Stremellachs auf Brot, mit Limetten-Honig-Pesto, gerösteten Pinienkernen, in Roter Bete marinierten Perlzwiebeln, Ziegenkäse und Bockshornklee. "Friedrichshain" bietet wiederum gegrillten Halloumi mit Hummus, dazu ein Spiegelei auf Basilikum-Butterschaum und gegrilltes Gemüse.

Fleisch gibt es auch, als gemischte Platte mit raffiniert gewürzten Bouletten mit Moosbeerensenf, Currywurst mit Apfel-Curry-Ketchup, in Bärlauch mariniertem Kasseler und Fenchel-Orangen-Weißkraut serviert. Das klang ansprechend, aber der warme Abend sprach eher für gegrilltes Gemüse als Alternative zur Berliner Fleischplatte. Kalbsschnitzel mit Moosbeerensenf und lauwarmem Kartoffel-Birnen-Salat, Kräuterbratwurst mit Weißbiersauerkraut und Backkartoffeln, reichhaltige Salate und drei verschiedene Desserts runden das Angebot ab.

Alte Turnhalle Berlin © Elisabetta Gaddoni
Bild: Elisabetta Gaddoni

Naturtrübes, edelbitteres Pils vom Tank

Auf der ebenso vielfältigen Getränkekarte sticht das "Tankbier" hervor. Das tschechische Pilsner Urquell wird ungefiltert und nicht pasteurisiert in gekühlten, luftdichten Behältern von der Fabrik zu den Lokalen transportiert, wo es in Tanks gelagert wird und binnen wenigen Tagen aufgebraucht werden muss. Das dürfte kein Problem sein, denn fast jeder Gast bestellt dort das intensive, malzige und angenehm bittere Pils, das in den traditionellen bauchigen Gläsern serviert wird.

Beim ersten Blick mag dieser Biergarten etwas "gentrifiziert" wirken, mit Tischreservierung, Speisekarte und Service am Tisch - den Eindruck widersprechen jedoch der informelle, angenehme Stil im Service, die altersgemischte Kundschaft und die durchaus normalen Preise: Das "Tankbier" kostet 3,40 Euro (0,3 Liter) oder 4,40 Euro (0,5 Liter), die Berliner Platten zwischen 10,90 und 14,90 Euro, das Kalbsschnitzel 17,90 Euro.

Somit ist der Besuch absolut empfehlenswert - erst recht, wenn im Sommer Besuch nach Berlin kommt und man auf der Suche nach einem Ort ist, der Berliner Geschichte, sommerlichen Flair und gute Küche verbindet.

Elisabetta Gaddoni, rbbKultur

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