Süßer Geschmacksträger - Zucker: Dauerbegleiter der Adventszeit
Einst so teuer wie Salz und Pfeffer, genießt Zucker heute einen eher schlechten Ruf. Dass zu viel Süßes ungesund ist, weiß jeder. Darauf zu verzichten, ist aber schwer - zumal sich Zucker in vielen Lebensmitteln versteckt. Andererseits ist die Lust auf Süßes zum Teil ein natürliches Bedürfnis. In Maßen verwendet ist Zucker in der Küche ein wichtiger Geschmacksträger – sowohl bei herzhaften Gerichten als auch bei Kuchen und Desserts, wo er Grundlage kunstvoller Kreationen werden kann.
Ob auf dem Weihnachtsmarkt, dem Luna-Park oder vor Supermarktkassen: gnadenlos lugt Süßes aus allen Ecken hervor und sorgt bei Familien mit Kindern oft für Stress. In der Adventszeit ist es noch schwerer, den Zuckerkonsum einzuschränken, da Stollen und Weihnachtskekse nicht ohne die süße Zutat auskommen.
Billiger Rohstoff
Zugegeben, wir essen zu viel Zucker - bewusst oder unbewusst. Zucker ist nicht nur in Schokolade, Keksen, Eiscreme und Marmelade: Er steckt in kleinen und großen Mengen in vielen verarbeiteten Lebensmitteln wie zum Beispiel Ketchup, Joghurt, Knäckebrot, Fertiggerichten und Limonaden. Der süße Anteil hat aber nicht nur die Wirkung, Geschmack und Textur zu verbessern und die Haltbarkeit zu steigern: Zucker ist ein sehr billiger Rohstoff, ersetzt andere teurere Zutaten und trägt zum Gewicht des Produktes bei.
Süße mit bitterer Geschichte
So günstig ist Zucker allerdings erst in der modernen Zeit geworden. Bis zur Französischen Revolution kam er, aus Zuckerrohr gewonnen, als noch teures Produkt aus den Kolonien. Durch die Kolonialisierung der Neuen Welt durch die Europäer, den Sklavenhandel und deren Ausbeutung auf den Plantagen kamen mit dem Zucker zwei weitere Produkte auf den globalen Markt, die bald unverzichtbar wurden: Kakao und Kaffee.
Zucker wurde auch als Konservierungsmittel immer relevanter, um Obst und Gemüse für den Winter aufzubewahren. Günstiger wurde er mit der Entdeckung der Runkelrübe als Rohstofflieferant für Zucker und dem Beginn der industriellen Gewinnung um 1800.
Rübenzucker war dennoch immer teurer als Rohrzucker, trotz der langen Transportwege, und noch heute stellt Rübenzucker nur ein Fünftel der globalen Produktion dar.
Versteckte Zutat
Zucker ist heute so günstig, dass der Preis kein Grund ist, den Verbrauch einzudämmen. Höchstens sind es die Zahnarztkosten, die davon abhalten, Süßigkeiten im Übermaß zu verzehren. Dabei ist ein Kunstwerk wie die Zuckerwatte um 1900 ausgerechnet von einem Zahnarzt erfunden worden! Die Maschine wurde 1904 bei der Weltausstellung in St. Louis zur sensationellen Attraktion.
In der Tat ist Zucker eine vielseitige Zutat, die alles andere als verteufelt werden sollte. In Maßen eingesetzt rundet sie den Geschmack vieler Gerichte ab, in geringen Mengen sogar von herzhaften wie Tomatensauce, Bolognese, Gemüsepfanne mit Karotten, Rosenkohl, gebratenem Radicchio oder Fleisch. Noch besser schmeckt es, wenn brauer Zucker oder Karamellstücke verwendet werden, denn gebrannter Zucker bringt Röstaromen mit.
Dass der Gegensatz von salzig und süß Gerichte interessanter und komplexer macht, zeigt der beliebte salzige Karamell. Mit Zucker lassen sich Frischkäse, Rhabarber, Kumquats, Rosmarin und anderen Zutaten nach Geschmack karamellisieren.

Das richtige Maß
Es stimmt zwar, dass es bei Kuchenrezepten oft möglich ist, die angegebene Menge an Zucker zu verringern. Da Zucker aber auch Geschmacksgeber ist, funktioniert dies ab einem gewissen Punkt nicht mehr: Der Kuchen schmeckt dann fade, wie die Produkte mancher Bio-Bäcker beweisen, die mit guter Absicht weniger Zucker nehmen oder ihn zum Beispiel mit dem nur schwach süßenden Agavedicksaft ersetzen.
Unverzichtbar ist Zucker in der anspruchsvollen Patisserie: Hochzeitstorten sind ohne stabilen Zuckerguss oder fester Buttercreme nur halb so spektakulär. Beeindruckende Kreationen wie die französische Windbeutelpyramide Croquembouche fordern etwas Übung, so wie auch die Nester aus Karamellfäden, auf denen eine oder mehrere Eiskugeln gebettet werden. Viel einfacher lassen sich Mandelkrokant und Baiser-Kekse zaubern: Sie sind haltbar und schön verpackt taugen sie als Geschenk und Zeugnis der eigenen Zuckerkunst.
Elisabetta Gaddoni, rbbKultur