Mehr als Whisky und Guinness - Irisch essen am St. Patrick's Day
Der irische Nationalfeiertag steht - in Irland wie in der Diaspora - für ausgelassene Stimmung, launige Musik und vor allem für gebührende Mengen an Bier und Whisky. Die irische Küche steht dabei meist nicht im Vordergrund. Zu Unrecht: Viele Spezialitäten von der grünen Insel sind als bloße Begleitung für Trinkgelage viel zu schade. Traditionelle Zutaten der Bauernküche, wie Kartoffel, Käse, Fleisch, Algen und Muscheln, liefern heute die Grundlage für eine moderne, hochwertige regionale Küche.
Schon immer heißt es, die Menschen in Irland seien schwache Esser, dafür starke Trinker. Kein Wunder: Essen musste dort Jahrhunderte lang vor allem den Hunger stillen. Eine wichtige Rolle spielt schon immer die Kartoffel, die in harten Zeiten das Überleben sichern musste. Aus dem Grund ist die Kartoffel in Irland so früh und so eifrig angebaut worden, verglichen zu anderen Ländern, in denen es viel länger dauerte, bis die Menschen der Knolle aus der Neuen Welt etwas abgewinnen konnten.
Die Knolle aus der Neuen Welt
Mit der Eroberung der Insel durch Oliver Cromwell Mitte des 17. Jahrhunderts und der Ansiedlung englischer Bauer wurden die Einheimischen immer mehr nach Westen vertrieben, nach Connacht, dem "Sibirien Irlands". "To Hell or to Connacht" wurde zum Motto dieser Politik. Dort waren die Böden sehr karg und steinig und eigneten sich bestenfalls für den Anbau von Kartoffeln. Allerdings mussten sie erst von den vielen Steinen befreit werden, und die vielen Trockenmauern, die noch heute die ländliche Landschaft im Westen Irlands durchsäumen, hatten die Funktion, die Beete vor Wind und Erosion zu schützen.
Kartoffeln als täglich Brot
Da die meisten Tiere für die Versorgung von Cromwells Armee geschlachtet worden waren, war es fast ausschließlich der Kartoffel zu verdanken, dass die Menschen überleben konnten. Noch im 19. Jahrhunderten wurden täglich ca. 3 Kilogramm Kartoffeln pro Person gegessen. Nach einer Phase relativen Wohlstands führte die Kartoffelpest um 1845 zu mehreren Missernten, und Irland lernte wieder den bittersten Hunger kennen. Von etwa acht Millionen Einwohner starben nach Schätzungen mehr als eine Million, und weitere 1,5 Millionen Iren wanderten nach Kanada, Australien, die USA und in die Industriezentren Englands aus.
Das erklärt, warum Kartoffeln noch heute so wichtig in der irischen Küche sind: als Zutat von Eintöpfen wie den traditionellen Irish Stew und Irish Beef oder deren typischen Beilage, dem Kohl-Kartoffelstampf Colcannon. Geriebene Kartoffel sind die Grundlage der beliebten süßen oder pikanten Boxty, der runden Reibekuchen, die gerade am St. Patrick's Day zum Frühstück nicht fehlen dürfen und die Dank der Sahne im Teig besonders zart schmecken.
Grüne Weiden und Salzwiesen
Die grüne Landschaft mit den reichen Weiden liefert seit jeher reichhaltige Milch, die die Iren früher als das "weiße Fleisch" bezeichneten. Produkte wie Butter, Buttermilch und Käse sind in der irischen Küche allgegenwärtig. Regionale Käsesorten haben heute den Status teurer Spezialitäten und Restaurants können mittlerweile Käseplatten ausschließlich aus irischen Sorten zusammenstellen. Dazu werden dunkles selbstgebackenes "Sodabrot" und die beliebte Butter gereicht. Ein altes Sprichwort sagt: "Was Butter und Whiskey nicht heilen, kann nicht geheilt werden".
In Eintöpfen wurde früher das zähe Fleisch alter Tiere weichgeschmort, die eher für Milch oder Wolle gehalten wurden. Heute wird das schmackhafte Lammfleisch der küstennahen salzigen Wiesen gegenüber dem traditionellen Hammelfleisch bevorzugt und aus lokalem Schweinefleisch wird die beliebte Chorizo hergestellt.
Fisch, Meeresfrüchte und Algen
Natürlich lifern die Küsten auch reichlich Fisch, Meeresfrüchte und Algen, die früher auch zur Armenküche gehörten. Insbesondere Mies- und Herzmuscheln, die Cockles and Mussels, die im alten berühmten irischen "Molly Malone"-Lied eine Fischverkäuferin anpreist, waren in Küstengebieten auch an der Basis der Ernährung.
Heute sind Austern und andere Meeresfrüchte, frischer und geräucherter Lachs und Algen Zutaten, die gehobene Restaurants auch mit Einflüssen aus anderen Küchen kombinieren. So emanzipiert sich die irische Küche langsam aus dem Armenküche-Image mit der Aufwertung regionaler Spezialitäten und hochwertiger, nachhaltigen Zutaten, die modern, mit weniger Fett und ohne deftige Überfrachtung von Aromen zubereitet werden.
Ob diese leichtere Küche gerade zum St. Patrick’s Day auf den Tisch kommt, ist eher zu bezweifeln. Beim wichtigsten Feiertag im Jahr bereiten die meisten Kneipen eben jene typischen Eintöpfe wie Irish Stew zu, die sonst im Alltag eher den Touristen aufgetischt werden.
Elisabetta Gaddoni, rbbKultur