Geschmackssache - Morgengruß Croissant
Ob genüsslich im Bett, am winterlichen, verschneiten Feiertag oder frühmogens im Lieblingscafé: Croissants eröffnen bei vielen von uns den Tag, als kleines aber unverzichtbares Ritual und von einer Tasse duftenden Kaffees begleitet. Woher kommt genau die Tradition des halbmondförmigen Gebäck mit dem französisch klingenden Namen? Und was unterschiedet das Croissant von der Brioche oder vom italienischen Cornetto? Diesen Fragen geht Elisabetta Gaddoni, rbbKultur-Fachfrau für gutes Essen, nach.
So wie bei vielen beliebten Spezialitäten, ranken sich auch um das Croissant zahlreiche Legenden. Erzählt wird, dass das Wiener Kipferl nach dem Sieg gegen die Türken erfunden worden sei, die die Stadt 1683 belagerten. Während der Nachtschicht habe ein Bäcker gehört, dass die Türken versuchten, einen Tunnel auszugraben, und Alarm geschlagen. Dafür soll er das Recht erhalten haben, exklusiv dieses Gebäck in Halbmondform zu backen, Symbol des Osmanischen Reiches.
Eine andere Legende will, dass ein Kaffeehausbesitzer nach dem Sieg über die Türken in den Besitz einiger Säcke Kaffee kam und für das neuartige Getränk, den Mokka, ein passendes Gebäck entwickelte, um an den Sieg gegen die Türken zu erinnern.
In österreichischen Klöstern soll es aber solches Gebäck schon viel früher gegeben haben. Und nach Erkenntnissen der Archäologie finden sich Vorfahren des Croissants schon im persischen Totenkult: Verstorbene erhielten als Gabe ein Gebäck in Halbmondform. Auch die ersten Christen sollen das Abendmahl mit halbmondförmigem Gebäck zelebriert haben.
Vom Kipferl zum Croissant und zum Cornetto
Es ist also müßig festlegen zu wollen, woher das Croissant schließlich kommt. Seine Verbreitung in Europa ab dem 17. Jahrhundert ging mit der Entstehung der Kaffeekultur einher. Durch die engen Beziehungen mit Wien kam das Kipferl bald nach Venedig. Im Laufe der Zeit soll aus ihm das Cornetto entstanden sein, die italienische, reichhaltige und süße Croissant-Variante.
In Paris soll das Kipferl Ende des 18. Jahrhundert angekommen sein, infolge der Hochzeit zwischen Ludwig dem 16. und Marie Antoinette aus Österreich. Von ihr ist allerdings viel mehr der angebliche Brioche-Spruch ("Wenn das Volk kein Brot hat, soll es Brioche essen!") als die Leidenschaft für das Wiener Gebäck überliefert. Erst Jahrzehnte nach der Französischen Revolution, Mitte des 19. Jahrhunderts, konnten Croissants in Mode kommen, als ein österreichischer Offizier in Paris die "Boulangerie Viennoise" eröffnete.
Französische Bäcker, die schon längst mit butterreichem Blätterteig vertraut waren, entwickelten aus dem Wiener Kipferl, vermutlich einem einfachen Hefegebäck, das heutige Croissant, dessen Name auf den wachsenden Mond anspielt. In den 1970er Jahren eröffneten in Paris viele Croissanteries, dessen Kreationen, auch salzig belegt, das Ziel hatten, dem Erfolg der McDonald-Kette etwas Lokales entgegenzusetzen.
In Italien haben sich mehr oder weniger reichhaltige Varianten durchgesetzt, die meist Cornetti (Hörnchen) oder Brioche genannt werden. Verglichen zum französischen Blätterteig-Croissant, der nur aus Mehl, Butter und etwas Hefe besteht und dessen Textur sehr luftig ist, hat das italienische Cornetto eine dichtere Konsistenz und erinnert eher an Hefegebäck. Zu den Zutaten gehören Eier und Zucker, manchmal auch Vanille. Nicht selten werden Cornetti auch gefüllt: mit Puddingcreme, Nougat oder Marmelade.
Viel Handwerk, Zeit und Geduld
Croissants oder Cornetti frisch zu machen, ist eine sehr aufwändige Angelegenheit. Der Teig, der immer wieder gewälzt und gefaltet wird, muss nach jedem Vorgang ruhen. Aus dem Grund beziehen die meisten Cafés und Bäckereien tiefgefrorene, industriell hergestellte Teiglinge, die erst kurz vor Verbrauch aufgebacken werden und kein spezialisiertes Personal verlangen.
Idealerweise sollen sie innen nicht feucht und halbroh sein, was leider oft der Fall ist. Selbst renommierte Patisserien verwenden heutzutage für ihre Kreationen fertigen, frisch gelieferten Blätterteig. Selbst hergestellt, würde dieser am Ende viel teurer sein – Croissants und andere Blätterteigspezialitäten würden die Kundschaft viel mehr kosten als es heute der Fall ist.
Trotzdem: Nichts spricht dagegen, sich an verregneten Tagen an der Kunst des Croissants oder des Cornettos auszuprobieren. Mit viel Zeit und Geduld – die Herstellung kann wegen der vielen Ruhezeiten, die der Teig braucht, sogar zwei Tage dauern – und mit einem Ofen mit Umluft ausgestattet. Wenn trotz aller Schwierigkeit das Unternehmen gelingt, kann ein Frühstück mit dem ersten selbstgemachten Croissant eine echte Belohnung sein – schon wegen des betörenden, butterigen Gebäckdufts, der in der Küche schwebt.
Elisabetta Gaddoni, rbbKultur